Dinge, so oder so

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Die Dinge der Woche (13. April 2003)
 

  Aus der Geschichte wissen wir, dass die meisten Kriegshandlungen Ersatzhandlungen sind. Diese treten bei Frustration oder Verdrängung (durch Verbot oder Fehlen eines Objekts) an die Stelle der eigentlichen Handlung . Nun reisst George W. Bush bekanntlich in jeder freien Minute unschuldige Sträucher auf seiner Ranch heraus, um sie anschliessend zu verbrennen. Das kann durchaus als Ersatzhandlung begriffen werden. Wobei wir über die seelische Ursache dieser Aktionen nicht spekulieren wollen. Zurzeit verbrennt im Irak auch vieles, nur mit dem Herausreissen hapert es ein wenig. Chemiwaffen wurden nicht gefunden und das "Objekt Saddam Hussein" fehlt auch. Ersatzweise werden deshalb seine Paläste zerbomt. Das irakische Volk hat nach dem Verschwinden des Diktators auch kein Objekt mehr und macht deshalb jede Menge Statuen kaputt - mit unzulänglichen Mitteln. Bei der Zerstörung mussten US-Panzer helfen, der Abtransport von Bronze-Schnurrbärten wurde mit mangelhaften Fahrzeugen durchgeführt, und auch die Plünderungen liessen eine geordnete Hand vermissen. Das "Obi"-Motto: "Stabile Qualität für gute Arbeit" ist offenbar im Arabischen noch nicht bekannt.

  Das ist die Stunde der Deutschen, denn sie sind Meister der Ersatzhandlung. In keinem anderen Land gibt es so viele Schlagbohrmaschinen, Rasenkantenschneider und Breitreifen. Auch in der deutschen Literatur finden sich zahllose Beispiele von Ersatzhandlungen. So verlässt in Günter Grass' Roman "Hundejahre" der verbitterte Tischlermeister Friedrich Liebenau sein Kontor, "griff sich eine Axt, die neu war und noch eingefettet, (...) pflanzte sich breitbeinig vor der Hundehütte des vergifteten Schäferhundes Harras und zerschlug den Bau mit gleichmässig geführten Rundschlägen wortlos und einsam zu Kleinholz." Das war 1944. Seitdem hat die Technik der Ersatzhandlungen grosse Fortschritte gemacht. So bieten moderne Baumärkte nicht nur eingefettete Äxte, sondern auch Bohrhämmer, Thermo-Komposter, Hochdruckreiniger und Wäschespinnen mit optimierter Aufspanntechnik an. Zum Abtransport gestohlener Waren eignen sich Aluminium-Sackkarren. Alles Dinge, die der Irak jetzt braucht.

  Für uns ist das die Chance, den Irakern ihre Selbstachtung zurückzugeben. In dem Land zwischen Euphrat und Tigris stehen mehr Saddam-Statuen als Bismarck-Denkmäler in Deutschland. Mit den vorhandenen Werkzeugen sind die nicht kaputtzukriegen. Die Psychologie lehrt jedoch, dass nur Völker, die die Symbole ihrer Zwangsherrschaft eigenhändig schreddern, selbstbewusst in die Zukunft schreiten. Was passiert, wenn das nicht hinhaut, erleben wir in Deutschland jeden Samstag. Hunderttausende Männer waschen Autos, gucken Fussball oder pflügen ihren Rasen um. Das liegt daran, dass es nach dem Krieg keine einzige Führerstatue gab, die man hätte zerstören können. In wie vielen Haushalten noch eingefettete Äxte liegen, wollen wir uns lieber gar nicht vorstellen.

 

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