Deutschland
im Fieber der Geschichte: Vor 90 Jahren erschoss ein Student
den östereichischen Thronfolger, und es begann der Erste Weltkrieg.
Die Ursachen sind erforscht: Die Beteiligten hatten das Kleingedruckte
in den Bündnisverträgen nicht gelesen und mussten sich beeilen,
um den Waffengang nicht zu verpassen. Das kann uns heute nicht
mehr passieren. Die meisten Studenten haben keine Zugang zu
Schusswaffen und können einen Thronfolger nicht von einen Universitätspedell
unterscheiden. Wenn ihnen langweilig ist, gehen sie surfen.
Damals
fehlten solche Zerstreuungen. Dem Deutschen Kaiser Wilhelm
Zwo blieb deshalb nichts übrig, als seine 35 Uniformen an-
und auszuziehen, Reiterdenkmale zu enthüllen, und tausende Tiere
auf der Jagd zu erschiessen. Sein östereichischer Amtskollege,
Franz Joseph, litt noch unter den Nachwirkungen von Sissi und
freute sich auf einen gemütlichen Krieg.
90
Jahre später bewundern wir die lässige Selbstgewissheit der
Monarchen, die sich weder um Bundesratsmehrheiten noch Umfragewerte
scherten. Wann hätte man in unserer politischen Arena je Sätze
gehört wie: "Nun muss das Schwert entscheiden!" Oder:
"Wahrt Manneszucht und öffnet der Kultur den Weg ein für
allemal!".
Und tatsächlich: Die deutsche
Kultur hat ihren SIegeszug durch die Welt eingeschlagen. Gefangene
wurden dabei nicht gemacht. Heute blinzeln Politiker mit
Neid zurück auf die alte Zeit. Herrgott, einmal den Säbel
schwingen! Querulatorische Kleinstaaten unverblümt als Pulverfass
oder Wespennest bezeichnen! Ein paar hundert gewerkschaftsnahe
Reformgegner nieder kartätschen! Wer nachts durch Berlin flaniert,
sieht in den Politikerwohnungen gestandene Männer zärtlich über
alte Uniformen streicheln. Manchmal blitzt ein Orden auf, wird
ein Schnurrbart gezwirbelt.
Wirtschaftsminister
Clement hatte etwas vom Geist der Geschichte erhascht, als
er erklärte, wer zum Ausfüllen der Hartz-IV-Formulare zu blöd
sei, können ihn ja anrufen. Proteste? Von wegen! Sozialhilfeempfänger
werfen angesichts der Wagenkolonne des Ministers jubelnd ihre
Hüte in die Luft. Danach zeigen sie Manneszucht, säubern Grünanlagen
und befüllen Granaten. War halt doch nicht alles schlecht, damals. |