Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (01. August 2004)
  

  Deutschland im Fieber der Geschichte: Vor 90 Jahren erschoss ein Student den östereichischen Thronfolger, und es begann der Erste Weltkrieg. Die Ursachen sind erforscht: Die Beteiligten hatten das Kleingedruckte in den Bündnisverträgen nicht gelesen und mussten sich beeilen, um den Waffengang nicht zu verpassen. Das kann uns heute nicht mehr passieren. Die meisten Studenten haben keine Zugang zu Schusswaffen und können einen Thronfolger nicht von einen Universitätspedell unterscheiden. Wenn ihnen langweilig ist, gehen sie surfen.

  Damals fehlten solche Zerstreuungen. Dem Deutschen Kaiser Wilhelm Zwo blieb deshalb nichts übrig, als seine 35 Uniformen an- und auszuziehen, Reiterdenkmale zu enthüllen, und tausende Tiere auf der Jagd zu erschiessen. Sein östereichischer Amtskollege, Franz Joseph, litt noch unter den Nachwirkungen von Sissi und freute sich auf einen gemütlichen Krieg.

  90 Jahre später bewundern wir die lässige Selbstgewissheit der Monarchen, die sich weder um Bundesratsmehrheiten noch Umfragewerte scherten. Wann hätte man in unserer politischen Arena je Sätze gehört wie: "Nun muss das Schwert entscheiden!" Oder: "Wahrt Manneszucht und öffnet der Kultur den Weg ein für allemal!".

  Und tatsächlich: Die deutsche Kultur hat ihren SIegeszug durch die Welt eingeschlagen. Gefangene wurden dabei nicht gemacht. Heute blinzeln Politiker mit Neid zurück auf die alte Zeit. Herrgott, einmal den Säbel schwingen! Querulatorische Kleinstaaten unverblümt als Pulverfass oder Wespennest bezeichnen! Ein paar hundert gewerkschaftsnahe Reformgegner nieder kartätschen! Wer nachts durch Berlin flaniert, sieht in den Politikerwohnungen gestandene Männer zärtlich über alte Uniformen streicheln. Manchmal blitzt ein Orden auf, wird ein Schnurrbart gezwirbelt.

  Wirtschaftsminister Clement hatte etwas vom Geist der Geschichte erhascht, als er erklärte, wer zum Ausfüllen der Hartz-IV-Formulare zu blöd sei, können ihn ja anrufen. Proteste? Von wegen! Sozialhilfeempfänger werfen angesichts der Wagenkolonne des Ministers jubelnd ihre Hüte in die Luft. Danach zeigen sie Manneszucht, säubern Grünanlagen und befüllen Granaten. War halt doch nicht alles schlecht, damals.

 

Zurück