Pssst,
liebe Leser und Leserinnen. Wir können diese Kolumne nur
ganz leise schreiben, damit uns die Kollegen vom Sport nicht
hören. Wir verstossen hier nähmlich gegen die Regeln der politischen
Korrektheit und der Redaktionsdisziplin. Weil wir - ganz leise -
Ihnen sagen, dass Deutschland bei Olympia auf dem fünften Rang im
Medaillenspiegel liegt. Stand Samstagabend.
Fünfter Platz. Jetzt ist es heraus. Vor uns liegen Länder wie USA,
China und Japan. Nepal und die Mongolei halten wir auf Distanz. In der
Redaktion tobt ein heftiger Streit über die Legitimität dieses
Vergleichs. Sitzungen, Wortgefechte, Handgreiflichkeiten lösen
sich ab. Man munkelt, dass einige Kollegen heute Nacht versuchen
werden, diese Spalte wieder zu löschen. Wenn Sie hier also etwas
anderes lesen, haben sie es geschafft.
Der
Streit um den Medaillenspiegel ist nicht neu. Sportjournalisten,
karitative Frauenrechtlerinnen, Dritte-Welt-Gruppen und Anti-Globalisierungs-Aktivisten
betrachten den Medaillenspiegel als Ausdruck eines neoimperialen,
pseudokolonialistischen, kapitalistisch-dingsda-machanistischen
und bourgois-dekadenten Wettbewerbfetischismus. Platz fünf.
Die
Frage ist: Soll man, darf man sich mit anderen Nationen vergleichen?
Führt dies nicht wieder zu nationalen Ressentiments, die in
den Schützengraben münden? Ist nicht der Ausbruch des Ersten
Weltkriegs auf die historischen Niederlage Deutschlands im olympischen
Sackhüpfen 1912 zurückzuführen? Dürfen Staaten wie Nepal, deren
Trainingsbedingungen durch den häufigen Schneefall eingeschränkt
sind, einfach mit Ländern wie Deutschland verglichen werden,
deren Armee fast nur noch aus Sportförderkompanien besteht?
Platz fünf. Hinter Japan.
Die Aufregung
ist unnötig. Die Deutschen haben sich längst mit ihrem minderen
Rang abgefunden, blinzeln ungläubig hinauf zu olympischen Grossmächten
wie die USA und China und lächeln den nachrückenden Zwergstaaten
aufmunternd zu. Davon abgesehen kann man ja nicht in jedes Land
einmarschieren, das mehr Goldmedaillen hat. Das wäre eine Überdehnung
unserer strategischen und logistischen Fähigkeiten. Pech für
uns, dass Jammern, Demonstrieren und liegend Heucheln
noch keine olympischen Disziplinen sind. Kämpfen und siegen
dagegen gelten als Ausdruck einer mechanistisch-imperalen, pseudo-militaristischen
... Sie wissen schon.
Platz fünf, also.
Hinter Japan. Da wird man doch überlegen dürfen: Was haben die
Japaner noch drauf? Zum Kugelstossen sind sie zu schwach, zum
Schiessen zu höflich. Laufen? Lächerlich! Aber Vorsicht! Was
macht die Ukraine? Die schlafen auch nicht. Trotzdem: Die
Japaner packen wir noch! |