Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (31. Oktober 2004)
  

Der eherne Erwin Teufel
"Die Pickelhaube steht ihm gut."


  Die Politik gilt gemeinhin als die Sphäre des kühlen Taktierens und Finassierens. Sielschaften werden gewoben und Emotionen beseite gewischt. Das Diktat des Gemeinwohls erfordert Disziplin, Eloquenz und gute Leberwerte. In dieses trostlose Szenario brachen eruptiv die jüngsten Ereignisse in Baden-Württemberg, die zeigten: Politik ist mehr! Sie ist Leidenschaft, Wahnsinn und Eros. Das uralte historische Movens, der Verrat und Treuebruch, war wieder heimisch geworden im Land. Das Kleid des Verräters wurde flugs Günther Oettinger umgehängt. Und siehe da: Erwin Teufels ungeliebter Kronprinz liess hinter seinen vertrauten stakkatohaften Satzfragmenten plötzlich shakespearehafte Dämonie aufblitzen.

  "Judas!", raunte man in den Fluren des Landtags, ohne allerdings von einem Judaskuss berichten zu können. Öffentliche Zärtlichkeiten sind in einem pietistischen Land verpönt. Man küsst sich, wenn überhaupt, nur, wenn man anderntags ausschlafen kann. Männer küssen sich in Baden-Württemberg überhaupt nicht. Es gibt also keine Zeugen für einen etwaigen Stempel des Verrats zwischen Oettinger und Teufel. Andere machten weniger Hehl aus ihren Gefühlen: Teufels treuer "Macduff" Christoph Palmer raste vor Wut angesichts des vermuteten Treuebruchs. Sein uralter Freund Pfeiffer, den er seit Menschengedenken herzlich knutscht und pufft, hatte sich als Renegat entpuppt. Patsch! Doch diese Maulschelle war kaum mehr als eine lumpige Ersatzhandlung. Sein Rachedurst ist ungestillt: Ich kann nicht auf diese armseligen Kernen schlagen, du musst es sein, Macbeth!

 Atemlos verfolgt die Bevölkerung dieses Männerdrama um Machtgier, enttäuschte Freundschaft, Betrug und Gaukelei. Wer glaubte, das 20. Jahrhundert, das Zeitalter des politischen Verrats, sei vorbei, irrte sich schmerzlich. Natürlich: Den Vergleich mit einem Fouché, Danton, Brutus oder Göring hält die aktuelle Besetzung nicht aus. Vor allem Oettinger: Dieser gefühlskalte Kronprinz als Judas? Ein Mann, der religiöse Inbrunst bisher nur bei der Lektüre von Landtagsdrucksachen zeigte? Wer hätte dem Juristen dieses dramatische Potenzial zugetraut?

  Jetzt kochen die Gerüchte: Was geschah wirklich in den Tagen der Götterdämmerung? Trafen sich die Blicke der beiden schicksalfat verwobenen Politiker noch einmal auf der Herrentoilette der CDU-Landtagsfraktion? Hörte man die Worte: "Was du tust, das tue bald." Schauderte es Oettinger am Ende vor dem eigenen Tun? "Sterne, verhüllt euer Feuer! Lasst die Nacht nicht sehen, was für schwarze Gedanken sich tief aus meiner Brust emporarbeiten", habe er selbstvergessen gemurmelt, hiess es.

  Doch es gibt kein Zurück mehr. Ginge es nach Shakespeare, steuerte alles einem schaurigen Ende zu. "Bis der Birnam-Wald sich nach Dunsinan bewegt, kenne keine Furcht", wurde Macbeth prophezeit. Und dann marschierten die Bäume doch, Macbeth fiel und musste, Gott sei Dank, nicht mehr mit ansehen, wie sein Kopf triumphierend aufgespiesst wurde. Oettinger allerdings weiss: Dass Bäume marschieren, ist angesichts des Waldsterbens heute unwahrscheinlich.

Das Denkmal zur Badischen Revolution von 1848 in Schopfheim
Die Revolution fand bei schönem Wetter statt: Anfang Oktober 2004 weihte Schopfheim In Baden-Württemberg das Revolutionsdenkmal ein. Bildhauer Peter Lenk hat damit ein umstrittendes Kunstwerk erstellt. Auf der rechten Seite befinden sich die Anarchisten, auf der anderen die Reaktion in Form eines sechsfach geklonten Soldaten mit dem Gesicht von Erwin Teufel (siehe Bild oben).

 

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