Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (12. Dezember 2004)
  

  Gewalt und sexuelle Umtriebigkeit des Mannes gelten seit je als ein Movens der menschlichen Entwicklung. Schon in der Frühzeit zwickte es jeden Mann in den Lenden, wenn er daran dachte, das nur ein Steinwurf weit die schönsten Frauen für andere Männer Eintopf kochten und ihnen das Kopfkissen aufschüttelten. Mancher beneiderter Nachbar sah sich morgens mit zertrümmerten Schädel aufwachen. Und die Frau wechselte - nicht faul - den Besitzer. Heute ist das anders. Um eine Frau zu erobern, bedarf es keines Steinwurfs mehr. Oft reicht eine geschmeidig formulierte SMS. Doch für viele Männer ist dieses Vorgehen ungewohnt, weil ihre an Brutalität gewohnten Hände den Umgang mit den mikroskopisch kleinen Telefontasten verweigern. Zehntausende von Ratenkäufen, Kriege und ausserehelichen Affären wurden durch solche verirrten SMS-Mails bereits entfesselt.

  Deshalb würden viele Männer gerne in archaischen Riten zurückfallen, wieder Steine werfen und Nebenbuhlern den Schädel zertrümmern. Sie dürfen das aber nur im Privatfernsehen und in der Vorweihnachtszeit. Vor dem Fest streifen sie mit ihren Kindern durch Spielzeugläden und streicheln zärtlich über Plastikpanzer und Maschinenpistolen. Im Lichterglanz der Wurstbuden verschaffen sie sich mit wuchtigen Ellbogenstössen Platz und wischen sich, wenn ihr Gegner wund auf dem Boden liegt, zufrieden die klebrigen Reste von Glühwein aus dem Bart.

  Natürlich gab es immer wieder Frauenrechtlerinnen, Pfarrer und Vegetarier, die dieses Verhalten als primitiv, ja anstössig empfinden. Dem wurde bisher von wissenschaftlicher Seite entgegengehalten, dass rauschhafter Eskapismus und erotische Entladung nun mal die von der Natur vorgegebenen Fixpunkte der maskulinen Existenz sind.

  Doch dieser Theorie ist jetzt endgültig der Boden entzogen worden. Seit der vergangenen Woche nähmlich tummeln sich im Münsteraner Zoo einige Meerschweinchen aus Bolivien. Münstersche MeerschweinchenDas "münstersche Meerschweinchen" unterscheide sich in seiner monogamen Lebensweise von allen anderen, erklärte Professor Norbert Sachser, Leiter der Abteilung für Verhaltensbiologie. Monogam! Sie haben richtig gehört. Bei keiner anderen der bislang 14 bekannten Meerschweinchenarten lebe ein Tier mit nur einem Partner zusammen. Im Gegenteil: SIe schwärmten aus, baggerten, rauchten und tranken, was das Zeug hält. Bei den neuen Kleinnagern aus Südamerika dagegen "spielten die Väter mit ihren Jungen, statt aggressiv auf sie zu reagieren", so Sachser. Ausserdem essen sie Gräser. Im Gespräch mit unserer Wissenschaftsredaktion zeigten sich die Meerschweinchen sichtlich beeindruckt von der Anteilnahme der Bevölkerung an ihrer Herkunft. Zugleich betonten sie, bisweilen durchaus ein Steak und ein Glas Rotwein zu geniessen.

  Eines ist klar: Die Entdeckung der münsterschen Meerschweinchen kommt einer Sensation gleich. Denn je grösser ein Säugetier ist, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit der Entdeckung einer neuen Art. So sind seit vielen Jahren keine neuen Männer mehr entdeckt worden. Unsere Wissenschaftsredaktion hat jedoch bereits einen Flug nach Bolivien gebucht. Gerüchten zufolge betätigen sich die Männer einer indigenen Art dort beim Geschirrspülen, während die Frauen auf die Weihnachtsmärkte gehen.

 

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