Gewalt
und sexuelle Umtriebigkeit des Mannes gelten seit je als
ein Movens der menschlichen Entwicklung. Schon in der Frühzeit
zwickte es jeden Mann in den Lenden, wenn er daran dachte, das
nur ein Steinwurf weit die schönsten Frauen für andere Männer
Eintopf kochten und ihnen das Kopfkissen aufschüttelten. Mancher
beneiderter Nachbar sah sich morgens mit zertrümmerten Schädel
aufwachen. Und die Frau wechselte - nicht faul - den Besitzer.
Heute ist das anders. Um eine Frau zu erobern, bedarf es keines
Steinwurfs mehr. Oft reicht eine geschmeidig formulierte SMS.
Doch für viele Männer ist dieses Vorgehen ungewohnt, weil ihre
an Brutalität gewohnten Hände den Umgang mit den mikroskopisch
kleinen Telefontasten verweigern. Zehntausende von Ratenkäufen,
Kriege und ausserehelichen Affären wurden durch solche verirrten
SMS-Mails bereits entfesselt.
Deshalb würden
viele Männer gerne in archaischen Riten zurückfallen, wieder
Steine werfen und Nebenbuhlern den Schädel zertrümmern. Sie
dürfen das aber nur im Privatfernsehen und in der Vorweihnachtszeit.
Vor dem Fest streifen sie mit ihren Kindern durch Spielzeugläden
und streicheln zärtlich über Plastikpanzer und Maschinenpistolen.
Im Lichterglanz der Wurstbuden verschaffen sie sich mit wuchtigen
Ellbogenstössen Platz und wischen sich, wenn ihr Gegner wund
auf dem Boden liegt, zufrieden die klebrigen Reste von Glühwein
aus dem Bart.
Natürlich gab es immer wieder
Frauenrechtlerinnen, Pfarrer und Vegetarier, die dieses Verhalten
als primitiv, ja anstössig empfinden. Dem wurde bisher von wissenschaftlicher
Seite entgegengehalten, dass rauschhafter Eskapismus und
erotische Entladung nun mal die von der Natur vorgegebenen
Fixpunkte der maskulinen Existenz sind.
Doch
dieser Theorie ist jetzt endgültig der Boden entzogen worden.
Seit der vergangenen Woche nähmlich tummeln sich im Münsteraner
Zoo einige Meerschweinchen aus Bolivien. Das
"münstersche Meerschweinchen" unterscheide sich in
seiner monogamen Lebensweise von allen anderen, erklärte Professor
Norbert Sachser, Leiter der Abteilung für Verhaltensbiologie.
Monogam! Sie haben richtig gehört. Bei keiner anderen der bislang
14 bekannten Meerschweinchenarten lebe ein Tier mit nur einem
Partner zusammen. Im Gegenteil: SIe schwärmten aus, baggerten,
rauchten und tranken, was das Zeug hält. Bei den neuen Kleinnagern
aus Südamerika dagegen "spielten die Väter mit ihren Jungen,
statt aggressiv auf sie zu reagieren", so Sachser. Ausserdem
essen sie Gräser. Im Gespräch mit unserer Wissenschaftsredaktion
zeigten sich die Meerschweinchen sichtlich beeindruckt von der
Anteilnahme der Bevölkerung an ihrer Herkunft. Zugleich betonten
sie, bisweilen durchaus ein Steak und ein Glas Rotwein zu geniessen.
Eines
ist klar: Die Entdeckung der münsterschen Meerschweinchen
kommt einer Sensation gleich. Denn je grösser ein Säugetier
ist, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit der Entdeckung
einer neuen Art. So sind seit vielen Jahren keine neuen Männer
mehr entdeckt worden. Unsere Wissenschaftsredaktion hat jedoch
bereits einen Flug nach Bolivien gebucht. Gerüchten zufolge
betätigen sich die Männer einer indigenen Art dort beim Geschirrspülen,
während die Frauen auf die Weihnachtsmärkte gehen. |