Wieder
steht Weihanchten wo? Vor der Tür. WIeder machen Millionen Gänse
was? Sie sterben. WIeder drücken Millionen von Kindern wen an
die Schaufenster? Ihre Nasen. Diese Vorgänge wiederholen sich
mit prozesshafter Regelmässigkeit. Warum noch darüber schreiben?
Wir wissen es nicht, müssen aber diese Spalten irgendwie füllen.
Und kurz vor Weihnachten muss man etwas über Weihnachten
schreiben. Das ist tarifvertraglich geregelt.
Vieleicht
etwas über die Liebe? An Weihnachten senkt sich ja die Liebe
über die Menschen wie ein silberner Nebel, der auch Angoraunterwäsche
durchdringt und Gänsehaut verursacht. Man könnte ja über die
Liebe an Weihnachten eine Geschichte schreiben. Sie würde von
der Verkäuferin in der Filiale eines Lebensmittelmarkts handeln,
die 36 Stunden am Tag arbeiten muss und dafür ungefähr 112 Euro
netto verdient. Jeden Morgen fährt sie mit dem Bus sieben Stunden
von ihrer düsteren Vorstadtsiedlung zur Arbeit. Auch an diesem
Morgen.
Nachdem sie dem Filialleiter flüchtig
die Füsse geküsst hat, wischt sie mit ihrer Kittelschürze das
Kondenswasser von den Schweineschnitzeln und überschreibt
mit Filzstift das ursprüngliche Verfallsdatum ("haltbar
bis Kriegsende"). Dann kassiert sie wie rasend Geld von
den Kunden, die sich an Weihnachten etwas gönnen wollen
und tonnenweise Käsekrainer aus Bulgarien, Dosenbeir und albanischen
Rotwein kaufen (siehe Bild). Für die Kinder der Kunden, von
denen viele das ganze Jahr über nur Weingummi bekamen, gibt
es zu Weihnachten Weingummi.
Es wird schon
dunkel an diesem Vorweihnachtstag, die letzten Kampfhunde
haben ihren Einkauf beendet und lassen mysteriöse Pfützen in
der Filiale zurück. Draussen pfeift ein kalter Wind. Mit Schaudern
denkt unsere Verkäuferin an den langen Heimweg auf der von Wölfen
unsicher gemachten Ausfallstrasse. Müde streift sie ihren löchrigen
Mantel aus Hasenfell über.
So, liebe Leser,
jetzt kommt's. Jetzt kommt die Liebe in unsere Geschichte.
In diesem Moment nähmlich tritt der junge Filialleiter an die
Kasse. Er hat seine Kunststoffkrawatte gelockert und ein nachdenkliches
Lächeln im Gesicht. "Sie sind ja jetzt auch schon vier
Wochen bei uns", sagt er. So lange hat noch nie jemand
durchgehalten. Und er fügt verlegen hinzu: "Für Sie!"
Damit drückt er ihr einen kleinen Gegenstand in die Hand.
Hier
bauen wir die Spannung unserer Weihnachtsgeschichte bis zur
Unerträglichkeit auf. Unsere Verkäuferin schuckt, kämpft
mit den Tränen und wagt nicht, das Geschenk anzusehen. Dann
ein verstolener Blick. Es ist der Vierkantschlüssel für die
Toilette! Die Kolleginnen hatten ihr von diesem Gegenstand immer
wieder erzählt, als sie draussen ihre Notdurft verrichteten.
Doch niemand hatte ihn je gesehen. Und jetzt das! Plötzlich
scheint es ihr, als erleuchte ein warmes Licht die Kühlregale.
Als lächelten die Schweineschnitzel, als tanzten die Wurstscheiben
eine Polonaise. Jetzt weiss sie: Es ist Weihnachten!
Wie,
Sie finden diese Geschichte überhaubt nicht weihnachtlich?
Geschmacklos? Zynisch? Obsolet? Dann schicken Sie uns bitte
Vorschläge für eine Weihnachtsgeschichte im nächsten Jahr. Bitte!
Bitte!! |