Früher
war es nicht einfach, über einen trennenden Fluss hinweg
die gegenüberliegenden Völker zu besuchen, zu missionieren oder
gleich totzuschlagen. Im Fluss, das wissen wir seit der
Antike, ist alles, es gibt Untiefen, mitunter bekommt
der Schwimmer gar den Inhalt eines geleerten Aschenbecher in
den Mund. Schlimmer noch: Die Verheissungen des anderen Ufers
entpuppen sich nicht selten als Trugspiele, die den Erwartungen
nicht standhalten. Müde wendet man sich um und watet in die
vertraute Tristesse zurück.
Das änderte sich,
als der Mensch die Brücke erfand. Kein Nebenfluss,
der nicht von Brücken überspannt wurde. Manchem Konstrukteur
wurde diese Arbeit so langweilig, dass er neue Tragwerke über
Täler spannte, die gänzlich flusslos waren. Das Viadukt (Siehe
Bild) war erfunden.
Als alles Notwendige
überbrückt schien, erfand die Gewerkschaft den Brückentag.
Die Flussufer des Brückentags sind zwei Fest-, Sonn- oder Feiertage,
die in katholischen Gegenden von einem mildtätigen Gott gleichmässig
über das Jahr verteilt wurden. Der dazwischen liegende Fluss
ist eine Werktag, versehen mit allen Stromschnellen, Widrigkeiten
und Untiefen des Arbeitslebens. In der vergangenen Woche gelang
es wieder hunderttausenden, den Freitag zwischen Dreikönig und
dem folgenden Samstag zu überbrücken.
Man
übersprang die Lücke mit einer leichten und doch stabilen Konstruktion
aus grippalen Infekten, Überstunden, freien Tagen oder unerklärten
Abwesenheiten. Nun ist es technisch keine echte Herausforderung
mehr, einen Tag zu überbrücken. Moderne Werkstoffe und eine
grosszügige Urlaubsregelung machen es aber möglich, Brücken
über ganze Wochen hinweg zu spannen. So liessen sich im
laufenden Jahr zwischen Ostern am 27. März und dem Tag der Arbeit
am 1. Mai ganze 24 Arbeitstage überbrücken. 24 Tage lang keine
Arbeitsunfälle, Fehlplanungen, Telefonkosten oder Börsenkurse!
Stattdessen eine Spanne des häuslichen Glücks und philosophischen
Nichtstuns. Eine herrliche Vorstellung.
Unsere
Wissenschaftsredaktion, die sich als Brücke zum Leser versteht,
arbeit bereits fieberhaft an einem Brückentagskalender bis
zum Ende des Jahrtausends. Da wir demnächst auch Staaten
wie Weissrussland oder der Ukraine eine Brücke nach Europa bauen,
bekommen wir auch neue Feiertage wie den Tag des unbekannten
Traktoristen oder den Tag der bemannten Flussschiffahrt.
Daraus ergeben sich völlig neue Perspektiven für den Einsatz
von Brückentagen. Die Zeit bis dahin überbrücken wir locker. |