Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (09. Januar 2005)
  

  Früher war es nicht einfach, über einen trennenden Fluss hinweg die gegenüberliegenden Völker zu besuchen, zu missionieren oder gleich totzuschlagen. Im Fluss, das wissen wir seit der Antike, ist alles, es gibt Untiefen, mitunter bekommt der Schwimmer gar den Inhalt eines geleerten Aschenbecher in den Mund. Schlimmer noch: Die Verheissungen des anderen Ufers entpuppen sich nicht selten als Trugspiele, die den Erwartungen nicht standhalten. Müde wendet man sich um und watet in die vertraute Tristesse zurück.

  Das änderte sich, als der Mensch die Brücke erfand. Kein Nebenfluss, der nicht von Brücken überspannt wurde. Manchem Konstrukteur wurde diese Arbeit so langweilig, dass er neue Tragwerke über Täler spannte, die gänzlich flusslos waren. Das Viadukt (Siehe Bild) war erfunden.

  Als alles Notwendige überbrückt schien, erfand die Gewerkschaft den Brückentag. Die Flussufer des Brückentags sind zwei Fest-, Sonn- oder Feiertage, die in katholischen Gegenden von einem mildtätigen Gott gleichmässig über das Jahr verteilt wurden. Der dazwischen liegende Fluss ist eine Werktag, versehen mit allen Stromschnellen, Widrigkeiten und Untiefen des Arbeitslebens. In der vergangenen Woche gelang es wieder hunderttausenden, den Freitag zwischen Dreikönig und dem folgenden Samstag zu überbrücken.

  Man übersprang die Lücke mit einer leichten und doch stabilen Konstruktion aus grippalen Infekten, Überstunden, freien Tagen oder unerklärten Abwesenheiten. Nun ist es technisch keine echte Herausforderung mehr, einen Tag zu überbrücken. Moderne Werkstoffe und eine grosszügige Urlaubsregelung machen es aber möglich, Brücken über ganze Wochen hinweg zu spannen. So liessen sich im laufenden Jahr zwischen Ostern am 27. März und dem Tag der Arbeit am 1. Mai ganze 24 Arbeitstage überbrücken. 24 Tage lang keine Arbeitsunfälle, Fehlplanungen, Telefonkosten oder Börsenkurse! Stattdessen eine Spanne des häuslichen Glücks und philosophischen Nichtstuns. Eine herrliche Vorstellung.

  Unsere Wissenschaftsredaktion, die sich als Brücke zum Leser versteht, arbeit bereits fieberhaft an einem Brückentagskalender bis zum Ende des Jahrtausends. Da wir demnächst auch Staaten wie Weissrussland oder der Ukraine eine Brücke nach Europa bauen, bekommen wir auch neue Feiertage wie den Tag des unbekannten Traktoristen oder den Tag der bemannten Flussschiffahrt. Daraus ergeben sich völlig neue Perspektiven für den Einsatz von Brückentagen. Die Zeit bis dahin überbrücken wir locker.

 

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