Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (10. April 2005)
  

  Wir blicken zurück auf eine Woche, die ganz im Zeichen der Entfremdung von Natur und Mensch stand. Davon zeugt zunächst die Debatte um den Einsatz von Arbeitslosen bei der Spargelernte. Früher, in den Hungerjahren nach dem Krieg, schwärmten Jung und Alt mit glänzenden Augen in Feld und Flur aus und begleitete jeden entwurzelten Spargel mit einem Mörike-Vers. Heute wissen zwar viele arbeitslose Jugendlichemit Messern umzugehen, kennen Spargekl aber nur im Zustand der letzten Verarbeitung als Tütensuppe (Siehe Bild). Doch auch Erwachsene sind den Umgang mit der Natur nicht mehr gewohnt. Wenn sie einen Urlaub auf dem Bauernhof verbringen, staunen sie darüber, dass sich Schweine stapeln und Hühner auf einen Bruchteil ihres Körpervolumens komprimieren lassen und dennoch dem Landsmann ihre Leibesfrucht überlassen.



  Indes lässt sich die Natur nicht so leicht aus dem Alltag verdrängen. Denn, so war ebenfalls in der letzten Woche zu lesen, viele einheimischen Singvögel lernen nicht mehr die überlieferten Rufe ihrer Eltern, sondern die Handyklingelzeichen, die ihnen vom kommunizierenden Mensch und seiner Technik zugezwitschert werden. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis das Rotwild in dunklen Tannenwäldern Lieder von Peter Maffay raunt, Enten am Fluss die letzte Rede von Horst Köhler nachquaken oder Waldameisen das Bühnenbild der Luc-Bondy-Inszenierung von Richard Straussens Oper "Salome" nachstellen.

  Von Füchsen und Ameisenbären ist man derlei Assimilierung ja gewohnt. Viele schleichen sich an lauen Sommerabenden auf Grillfeste, geben sich als Bekannte der Gastgeberin aus und picheln, was das Zeug hält. Danach sitzen sie jahrelang in der Wohnstube herum, bringen den Speiseplan durcheinander und fahren mit den Kindern inb Sommerfreizeiten.

  Andere Zeitgenossen aus der Tierwelt geben sich da weitaus zurückhaltender. Der Schlammpeitzger etwa, ein kruder Süsswassergefährte, wurde jetzt von Naturschützern zum "Europäer des Monats" deklariert. Der Fisch überlebt auch trockene Sommer, kann aber keine Klingeltöne nachpfeifen und taucht in keinem einzigen Mörike-Gedicht auf. Unsere Wissenschaftsredaktion prüft zur Stunde, ob man ihn wenigstens zum Spargelstechen einsetzen kann.

 

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