Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (05. Juni 2005)
  

  Manchmal möchte man als guter Journalist einfach nur wegsehen. Doch die Öffentlichkeit hat ein Recht auf Information. Denn hinter der schrecklichen Meldung steckt oft eine menschliche Geschichte. Eine Schlagzeile von Anfang der Woche liess unsere Wissenschaftsredaktion aufhorchen: "Liebestoller Esel auf Mallorca wollte deutsche Urlauberin vergewaltigen", hiess es in "Bild". Schockierend, sicherlich. Aber was steckt hinter der Geschichte?

  Wir entsandten ein 34köpfiges Team nach Mallorca und recherchierten dem Skandal nach. Der inhaftierte Esel (Biid typähnlich) spürten wir in einem Untersuchungsgefängnis auf. Chupito, wie er von Freunden genannt wird, wirkte bedrückt, schwieg aber hartnäckig. Chupitos Karriere steht für viele: Aufgewachsen in einem Slum der Hauptstadt, schlug er sich mit Gelegenheitsarbeiten durch. Ein befreundeter Fotograf besorgte ihm einige Modeljobs für H & M. Doch der Traum vom Laufsteg zerplatzte, als sich eine Allergie gegen Abdeckcreme einstellte.


  Chupitos Zeit war die Nacht. Mit weit offenem Hemd lungerte er in den Bars der Touristenhotels herum, trank, um sich in Stimmung zu bringen, und stierte glasig in die Dekolletés deutscher und dänischer Touristinnen. Frauen! Sie standen für alles, was der Esel auf der Insel entbehren musste: Erotik, Geld, Weltoffenheit.

  Es kam wie so oft in den Urlaubsregionen: Deutsche Frauen, enthemmt und lebenslustig, stossen auf Nutztiere, die in einem ehernen Moralsystem aufgewachsen sind, Alkohol nich vertragen und den erotischen Lockungen schnell erliegen. Einige von Chupitos Partnerinnen spürten wir in Deutschland auf. "Ja gut, er war zärtlich und ausdauernd, aber ausser Fressen und Fussball interessierte Ihn nichts", meinte Melanie S. aus Klewe. "Ich fand ihn ganz süss", so Gudrun H. aus Erlangen. "Aber dass er so was macht, der hat das doch eigentlich nicht nötig", ergänzt ihre Freundin Chrissi.

  Nachdem Chupitos Übergriffe Schlagzeilen machten, reagiert auch die deutsche Politik. Eine Soko "Grau" hat Ermittlungen aufgenommen, ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss wird sich mit dem Skandal befassen. "Sind unsere Frauen vor den Übergriffen einheimischer Paarhufer geschützt", fragt die Grünen-Abgeordnete Gunhild Merkle-Schweigholder. "Wenn deutsche Touristinnen etwas sittlilcher auftreten würden, gäbe es weniger Probleme", entgegnete ihr CSU-Kollege Ferdinand Hundhammer, schliesst aber die Wiedereinführung der Todesstrafe nicht aus. Auf europäischer Ebene befasst sich ein Expertenstab mit der Freizügigkeit von Säugetieren. Das schürt Ängste vor einer Erweiterung. Strömen bald kroatische, albanische oder türkische Esel über die Grenzen?

  Doch Vorsicht, "Wir wissen noch zu wenig", so die Grautierpsychologin Luise F. Das Zusammenleben zwischen Menschen und Esel verlaufe normalerweise unproblematisch. Arbeitslosigkeit, Klimaerwärmung, Hartz IV, Globalisierung, Klimaerwärmung und Irakkrieg hätten aber vieles verschlimmert. Ganz zu schweigen von Alkoholgenuss aus Plastikeimern. Wir alle wüssten gerne mehr. Doch Chupito schweigt.

 

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