Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (24. Juli 2005)
  

  Haben Sie auch diesen seltsamen Film am Donnerstagabend gesehen, liebe Leser? Ein zerzauster älterer Herr mit müden Augen, die er immer wieder auf einen imaginären Punkt nach unten richtete, erzählte von der Misere, in der sich unser Land befindet. Verschuldung! Systemkrise! Vertrauensverlust! Kinderlosigkeit! Auch die bleue Tapete mit den lustigen Tierfiguren im Hintergrund vermochte die triste Szenerie nicht aufzulockern. Die Zuschauer kauerten in ihren Fernehsesseln und bekreuzigten sich. Dann gingen sie zum Kühlschrank und tranken Bier und Schnaps. Als sie zurückkamen, war der Mann weg.

  Die Angst blieb. Viele Menschen rissen angstvoll ihre Fenster auf und starrten nach draussen, wo es wetterleuchtete und apokalyptische Reiter über den Himmel zogen, Hunger, Pest und Billigangebote im Gepäck. Kirchenglocken läuteten, fahle Pferde galoppierten durch die Nacht.

  Am nächsten Morgen wachten viele Deutsche schweissgebadet auf, stellten fest, dass die Fernsehrede des älteren Herrn (Siehe Bild) kein Traum war und beschlossen, ihr Leben zu ändern. Ernst und Sebstbesinnung sollte an die Stelle von Aggresivität und Leichtsinn treten. Statt autoritär zu brüllen, verweigerten Eltern ihren Kindern den Erwerb teuren Spielzeugs mit den Worten: "Der Haushalt unseres Haushalts befindet sich in einer nie da gewesenen kritischen Lage." Untreue Ehemänner antworteten ihren wütenden Frauen, dass sich auch eine Beziehung "in dem weltweiten scharfen Wettbewerb behaupten muss". Vordrängelnde Rüpel klären ihre Kritiker milde darüber auf, dass "die bestehende Ordnung überholt ist". Auf die Frage: WIe geht's? winken die Angesprochenen müde ab: "Zu wenig Kinder, immer älter!"


  Viele Zuschauer aber haben die Rede des älteren Herrn nicht gesehen, weil sie sich unter dem Sofa versteckt haben. Wir bringen hier deshalb kurz die wichtigsten Satzbausteine, mit denen Sie sich in den Debatten über die Zukunft Deutschlands behaupten können:
  "In dieser ernsten Lage" (...) "Ziele mit Stetigkeit und mit Nachdruck verfolgen" (...) "Argumente ernsthaft gewogen" (...) "in der Gesamtabwägung" (...) "eine von stetiger Zustimmung getragene Politik" (...) "sachlich und wahrhaftig" (...) "modernen Sozialstaat gestalten" (...) "sorgsam Gebrauch" (...) Was ist denn?! Hallo, sind sie noch wach, hallo!

 

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