Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (31. Juli 2005)
  

  Im Neuen steckt immer auch das Alte. Das erfuhren in den vergangenen Jahren viele Mercedes-Fahrer, die gerade ein vermeintlich neues Auto gekauft hatten. Ihr freundlicher und fantastisch gekleiderter Verkaufsberater hatte die 400-seitige Betriebsanleitung und die bereits abgefallenen Aussenspiegel in das mit Samt ausgeschlagene Handschuhfach gelegt. Die Käufer jauchzten vor Glück, fuhren los und hatten plötzlich das Gefühl, beim Schalten in einem Topf mit Kartoffelbrei zu rühren. Dann leuchtete am Instrumentenbrett die Nachricht "Houston, wir haben ein Problem" auf, das Auto blieb grunzend stehen oder fuhr mit einem katzenartigen Sprung mitten hinein in die dicht befahrene Vorfahrtsstrasse. Später wurden die Reste von einem Abschleppfahrzeug abgeholt.

  Diese und andere Launen der mobilen Gesellschaft haben jetzt dazu geführt, dass der alte Daimler-Chef Schrempp (Siehe Bild) jetzt gehen muss. Er weicht einem Nachfolger, der einen scheckheftgepflegten Schnurrbart trägt, selbst aber auch nicht mehr ganz neu ist und beim Losfahren schon seltsame Geräusche von sich gibt.


  Was neu scheint, ist also oft nur das aufpolierte Alte. Bei der Raumfähre Discovery löste sich schon kurz nach dem Abheben Teile der Aussenhaut und flogen samt dem Heftpflaster, mit dem sie befestigt waren, zur Erde zurück. Die glänzende Fassade täuschte über das wahre Alter hinweg. Weltweit wurden alle Raumfähren in einer grossen Rückrufaktion in die Werkstätten geholt, weil sie zusammengeklebt werden müssen. Bald sehen sie wieder wie neu aus. Obwohl sie alt sind.

  Es scheint, als habe der alte Richard Wagner doch umsonst gemahnt. "Kinder, schafft Neues", so lautete sein Diktum. Politiker, die an die Macht streben, haben das verstanden. Sie geben sich innovativ und strecken ihr kantiges Kinn nach vorne. Dass sie an anderen Stellen bereits zerblättern und zerfasern, merkt niemand. In Wagners Heimstatt Bayreuth sieht es ähnlich aus. Dort fuhren diese Woche zwar alle Mercedes-Limousinen vor, die nicht in der Werkstatt waren. Sonst allerdings gab es nicht viel Neues zu sehen und zu hören. Wo man genauer hinsah, blättert der Putz.

  Aber vielleicht haben wir ja Glück, und ein Stückchen Discovery-Aussenhaut schlägt mitten im dritten Akt von "Tristan und Isolde" ein. Das wäre mal wirklich was Neues.

 

Zurück