Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (23. Oktober 2005)
  

  Frankfurter Buchmesse! Unsere Literaturredaktion war wie immer vor Ort und stellt einen Trend zur Interpunktion fest. Beeindruckend auch die neue Generation schlagkräftiger koreanischer Lektoren, die bis zu drei Romane pro Stunde kurz und klein redigieren können.

  Wie vorheriges Jahr erlitten wir Verluste. Ein Kollege wurde von einem herabfallenden Schuber aus Ziegenleder erschlagen, zwei weitere für Schriftsteller gehalten und von der Kritik zerfleischt. Aber es hat sich gelohnt. Der Trend zum Grossroman, bei dem der Leser zügig den Faden verliert, hält an.

  So hat Harald Zsch. endlich seinen Debütroman auf den Markt gebracht; "23 Annäherungen an den Rührkuchen meiner Mutter." Das paradigmatische Schicksal von fünf Familien zieht den Leser in einen Mahlstrom der Langweile. Nach opulenten Wortbildern, die sich subkutan ins Empfinden einschleichen, sucht man vergebens. Dennoch wird der Leser von der Sprachgewalt des Autors wie von einer Anakonda gewürgt. Ein Stahlbad auf 465 Seiten.



  Mit diesem Umfang begnügt sich Bernd-Christian G. nicht. Er entfaltet in den ersten 90 Kapiteln seines opulenten Bildungs- und Familienromans eine düstere Vater - Kind - Geschichte, die auf weiteren 3000 Seiten manche unheilvolle Wendung erfährt. Wie der Autor die Untiefen in der Seele eines georgischen Wanderarbeiter in der Stalinära auslotet, knüpft an die Erzähltradition eines Nabokov an. Das Buch kann in Tranchen von je 340 Seiten erworben werden.

  Drei Phasen des Ich-Verschwindens beschreibt die novellistische Miniaturensammlung von Karin S. Die Skizzen tragen den Titel "Das Glück ist weiss wie Schnee". Lakonische Verdichtung und funkelnde Dialogbereitschaft faszinieren. "Manchmal bin ich wütend, manchmal aber auch nicht", lautet die die vieleicht bewegendste Aussage des Werks. Kathartische Rythmen führt sie virtuos zu einem verknoteten Handlungsstrang ohne Sinn und Zweck zusammen, und am Ende sind alle tot.

  Bei den aktuellen Neueditionen von Lesezeichen dominieren übrigens Grüntöne.

 

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