Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (18. Juni 2006)
  

  Es ist heiss. Auch beim Schreiben dieser Zeilen wandert die eine oder andere Schweissperle den Körper hinab. Welche Reise! Ein Pilgerzug der körperlichen Eintsaftung! Von der Stirn, hinter der sich ein rostiges Gedankenkarusell dreht, über die zerklüftete Gebirgsregion von Nase und Mund, wo sich die Wege scheiden. Mancher Schweisstropfen lässt sich über den Höhenkamm der Nase hinweg direkt nach unten fallen, andere weichen über die Mundwinkel aus, rinnen den Hals hinab und legen in Höhe des Bauchnabels eine Rast ein.

  Warum wir über Schweiss sprechen? Nun vor allem, weil in dieser Spalte überhaupt etwas geschrieben werden muss. Bei der Hitze fällt das alles andere als leicht. Zweitens dreht sich in diesen Tagen alles um Schweiss. Wer die WM-Kicker sah, erkannte, dass der menschliche Körper eigentlich nur aus Schweiss besteht. Ist der Schweiss erst mal weg, bleibt nur pergamentartig Haut übrig und die Essenz des Geistes.

  Im Gegensatz zu den Sportlern sind die Schweissdrüsen unserer Politiker fast nicht mehr aktiv. Die Berliner Politik wirkt irgendwie pausbäckig. Churchills Blut-Schweiss-und-Tränern - Rede haben sie irgendwann im Geschichte-Leistungskurs gestreift, dann vergessen. Auch Frau Merkel (siehe Bild) hat etwas Tiefgefrorenes in ihren Gesichtszügen. Gequält von der dampfenden Hitze in den Städten und Sportarenen verspüren viele Menschen unwillkürlich das Verlangen, ihre Gesichter gegen die kühle Wange von Frau Merkel zu drücken, um die eigene Körperwärme zu regulieren. Solch eine Wärmebrücke, wie sie jeder schlecht sanierte Altbau aufweist, könnte beiden Seiten dienen: Die Politik würde sich endlich in die Probleme hineinbeissen, der Fussball wiederum den ein oder anderen Kompromiss suchen und vieleicht mal einem unterprivilegierten Club aus Angola oder Trinidad einen Elfer zuschanzen.



  Über diesen Spekulationen hat unsere Schweissperle die Oberschenkel erreicht. "Wohin jetzt"?, scheint sie zu fragen - die Urfrage des Menschen: "Woher kommst du, wohin gehst du?" Auch darüber müsste man einmal philosphieren, an einem heissen Tag. Jetzt ist sie weg. Aber die nächste ist schon unterwegs. Verdammte Hitze.
 

 

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