Dinge, so oder so

 

Die Dinge der WM (25. Juni 2006)
  

  Ein drückend heisser Morgen. Der Sportjournalist Hubert G. schreckt aus dumpfem Schlaf auf. Neben ihm schnarcht leise eine brasilianische Studentin. Er hatt sie gestern so lange bedrängt, bis sie in sein Hotel mitging. Hubert G. verscheucht die Erinnerung an ihr mitleidiges Grinsen, nachdem er seine Bemühungen eingestellt hatte. "Daran ist nur der Stress schuld!", murmelte er. Jener lähmende Druck, den sein Chefredakteur, dieser verdammte Choleriker, ausübt. "Keine Ahnung von Fussball, aber erklärt mir jeden Tag, wie ich meinen Job machen soll." Hubert G. schüttelt den Kopf, was eine Welle rasender Kopfschmerzen auslöst. Als würde sein Gehirn in einem Säurebad hin und her schwappen. Erinnerungsfragmente durchzucken ihn wie Irrlichter. Die Bar ... Mädchen ... tolle Stimmung. Und er mittendrin, Anekdoten aus dem Reporterleben zum Besten gebend. Der Rest des Abends bleibt verschwommen. Hat er alles bezahlt? O Gott! Hubert G. rülpst betroffen.

  Dann rülpst sein Handy. 15 Anrufe des Chefredakteurs. Die meisten beziehen sich auf den nachhaltigen Einsatz des Redaktionskreditkarte bei seinen nächtlichen Recherchen. "Du sollst nicht saufen, sondern schreiben. Menschen müssen ins Blatt, Menschen", brüllt die Mailbox. Hubert G. blickt verdrossen auf die schlafende Brasilianerin. Menschen, ja, ja. "Die Kleine sieht ja ganz nett aus", murmelt er. Vieleicht liesse sich da was machen. Die kennt bestimmt ein paar Kicker aus ihrer Heimat. Wenn ich die in die Nähe des brasilianische Teams bugsiere, wird das ein Riesenscoop. Das Wort Scoop hatte Hubert G., der gebrochen Englisch spricht, aus einem Film mit Michael Douglas übernommen. Seitdem verwendet er es bei jeder Gelegenheit. "He, aufwachen! Coneces, ich meine: Du ju now, also kennst du einen von deiner Nationalmannschaft?" "Que hora?", nuschelt die Schöne. "Hay un cigarillo?"

  Hubert G. hört schon nicht mehr hin "Liebesdoping statt Pausentee" müsste die Schlagzeile lauten. Dazu ein paar leckere Fotos mit weisser Unterwäsche und so. Er versucht Ordnung in seinen Gehirnsirup zu bringen: "Ich muss irgendwie zum Quartier der brasilianischen Mannschaft."

  Er streift seine Designerschuhe über. Aus seinem Hemd steigt ein Geruch auf, der an Trockenfrüchte und Glaubersalz erinnert. Egal, zum Duschen ist jetzt keine Zeit. Die Kreditkarte muss mit. Einen echten Scoop gibt's schliesslich nicht umsonst.

 

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