Dinge, so oder so

 

Die Dinge der WM (02. Juli 2006)
  

  Endlich frei! Sportreporter Hubert G. klopft den Dreck aus seiner engen Flanellhose, als er die Ausnüchterungszelle in Berlin Mitte verliess. In seinem Kopf tanzten die feurigen Fixsterne seiner haltlosen Existenz: Die Jagd nach Sensationen, der Alkohol, die Frauen. Wieder war er ganz nah dran gewesen, an einem fetten Scoop ...

  Hubert G. versuchte, seinen Gedankenschleim zu kanalisieren. Seine brasilianische Studentin namens Belen (siehe Bericht vom 25.6.), ein Mädchen, das kindliche Unschuld mit einer frühreifen Erfahrenheit verband, offenherzig, mitunter auch arrogant-abweisend sein konnte, dabei verspielt und nicht zu intelligent war, hatte sich als Glücksgriff erwiesen. Nach einigen halbherzigen erotischen Bemühungen hatte Hubert G. die Beziehung rasch auf eine geschäftliche Grundlage gestellt und seiner Begleiterin an einer delikaten Körperstelle eine Minikamera appliziert, die dem Fundus der Wissenschaftsredaktion seiner Heimatzeitung entstammte. Mit viel Glück, einer naiven Koketerie, charmanter Schamlosigkeit, ausreichend knapper Bekleidung und ihrer schokoladenbraunen Haut ausgestattet, hatte sie es bis in die Nähe der Stars des brasilianischen Mannschaft gebracht.

  Sie stand in Sichtweite, als die Kakás, Ronaldinos und Ronaldos im Training den schnellen Trikottausch nach Spielende übten. Belen rieb sich gedankenverloren einen Eiswürfel über ihren Bauchnabel, als sie sah, wie Ronaldo, der Gott ihrer Landsleute, blitzschnell einen Sport-BH von enormer Körbchengrösse in seiner Tasche verstaute, bevor er sich des Trikots entledigte. Alle Gerüchte über das Übergewicht des Stars waren bestätigt. Auf Fotos! Ein echter Scoop, wie gesagt. Hubert G. hatte gekreischt vor Freude, als er die Bilder sah, und Belen, die ja eine merkantile Abgebrühtheit mit infantiler Freude an schönen Dingen verband, ausbezahlt: Glasperlen, Fussball-Sammelbilder und einen Satz Unterwäsche von C & A.

  Der Sportreporter wollte die Bilder gerade an seine Redaktion senden, als er in eine Traube von Kollegen geriet. Man trank ein paar Gläschen, schwadronierte von alten Zeiten. Irgendwann fiel die Minikamera in ein Glas Bier des offiziellen WM-Sponsors und löste sich zischend auf. Beim Versuch, die Bilder zu retten, zog sich Hubert G. schwere Hautverätzungen zu. "Haben wir das Zeug die ganze Zeit getrunken?", lallte er betroffen. Doch die Fotos waren verloren. Alles aus, zu spät, Ende!

  Gut, dann konnte man ja weitersaufen. Irgendwann lag Hubert G. auf einer Strasse, als sich die schweren Schritte der Polizei näherten ...

 

Zurück