Kaum
jemand, der diese Woche nicht das Interview mit der 18-Jährigen
Natascha Kampusch mitverfolgt hatte. Unglaublich: Die junge
Frau gab sich selbstbewusst und locker, als hätte sie nicht
das jüngste Album von Tokio Hotel, die Erfindung des Mars-Riegels
mit ganzen Mandeln und das Sommerinterview mit Edmund Stoiber
verpasst. Von ihrem Entführer wurde sie gezwungen, irgendein
Kulturradio zu hören, das von dieser dramatischen Verbesserung
seiner Zuhörerquote erst jetzt erfuhr. Natascha konnte nicht
bauchfrei an Haltestellen herumpöbeln wie normale Altersgenossinnen,
die Funkktion ihres rechten Daumen ist eingeschränkt, da sie
nie SMS-Mitteilungen verfassen konnte.
Ungewöhnlich
ist das starke Interesse der Öffentlichkeit am Schicksal Nataschas.
Denn hier zu Lande verschwinden ständig Menschen und Tiere.
Viele Politiker lassen sich in ein Parlament wählen und melden
sich dann überraschend nach vier, fünf Jahren wieder zurück.
Obwohl sie keinen Kontakt zur Aussenwelt hatten und meist in
den abgedunkelten Räumen der Parlamentsgaststätten vor sich
hin dämmerten, wirken sie nach ihrem Auftauchen meistens konzentriert.

Unsere
Wissenschaftsredaktion hat längst einige Langzeitexperimente
zu diesem Phänomen durchgeführt. Man begann mit Eintagsfliegen
(siehe Bild), die für rund zwei Stunden aus dem Verkehr gezogen
wurden. Die Tiere begannen erst zwei Stunden vor ihrem Ableben,
das Erlebte zu verarbeiten. Erschüttert zeigten sie sich über
den kulturellen Verfall und über die Herausforderung des internationalen
Terrorismus.
Damit nicht genug: Bereits kurz
nach dem Krieg hatten sich mehrere Redaktionskollegen zu Recherchezwecken
in ihre unterirdischen Büros zurückgezogen. Jetzt kamen sie
wieder ans Tageslicht. Sie machten einen gesundheitlich besseren
Eindruck als die Kollegen mit AUsgang, die nach acht Jahren
Freiheit ausgelaugt und müde wirkten. Sie werden deshalb für
die nächsten Jahre krankgeschrieben. Für Interview-Anfragen
danach wenden Sie sich an unseren Chefredakteur. |