Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (25. Februar 2007)
  

  Mag sie der eine oder andere als frivol oder götzemdienerisch verteufeln: Reliquien sind im Grossen und Ganzen eine feine Sache. Die katholische Kirche, in der sich Prunk, hierarchische Ordnung und Mysterienkult seit jeher aufs Vortrefflichste ergänzen, hat den Umgang mit den heiligen Überbleibseln genau geregelt. Es gibt Reliquien erster Klasse, wie Knochen, Haare oder Fingernägel. Reliquien zweiter Klasse siind Gegenstände, die ein Heiliger irgendwann berührt hat. Dazu gehören bei Märtyrern die Foltergeräte. Reliquien dritter Klasse sind dann nur noch Gegenstände, die Reliquien erster Klasse berührt haben: Ein Stück Stoff, das auf die Reliquien gelegt und hinterher auf Heiligenbildchen geklebt wird.

  Diese Woche trat die moderne Reliquienverehrung in eine neue Phase ein. Es begann damit, dass eine verwahrlost wirkende junge Frau in einen billigen Friseursalon in Los Angeles stolperte und der Angestellten befahl, ihr die Haare abzurasieren. Da es sich bei der Frau um die Popsängerin Britney Spears (siehe Bild) handelte, werden die abgeschnittenen Locken von filziger Textur jetzt im Internet versteigert - Einstiegsgebot: Eine Million Dollar. Kirchenrechtlich müssen die Haare als Reliquie erster Klasse gelten, während das billige Feuerzeug und eine ausgetrunkene Getränkedose nachrangige Bedeutung haben. Bisher nicht zum Verkauf steht die Friseurin. Sie kann aber gegen Gebot mit Stoff belegt werden.


  
  In Zeiten globaler Verunsicherung ist es völlig normal, dass Reliquien wieder an Wertschätzung gewinnen. Dabei werden von zwielichtigen Geschäftemacher immer wieder auch Stücke angeboten, denen nicht einmal Viertklassigkeit bescheinigt werden kann: Eine Sprechblase von Dieter Bohlen beispielsweise, eine benutzte Duschhaube von Christian Neubauer oder etwas ausgekratzter Bratensatz von Jamie Oliver. Unsere Wissenschaftsredaktion experimentiert seit Jahren mit Reliquien dieser oder ähnlicher Qualität, ohne dass sich die Auflage der Zeitung erhöht oder das Essen in der Katine verbessert hätte.

  Bliebe nur noch eine Frage zu klären: Was ist eigentlich mit dem elektrischen Haarschneider des Friseurladens geworden? Mal unter uns, wir könnten da recherchieren. Kostet natürlich eine Kleinigkeit. Und, nur falls es Sie interessiert: Zwei Milchzähne von Britney mit Echtheitszertifikat aus einer absolut sicheren Quelle ... Sie haben kein Geld? Trösten Sie sich: Auch diese Kolumne wird heilende Wirkung zugeschrieben. Einfach mit ein Stück Stoff belegen und über Nacht unter das Kopfkissen legen. Sie werden schon sehen ...
 

 

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