Dinge, so oder so

 

Das Ding der Woche (09. April 2007):
  Die wahre Geschichte der Blutbeutel
 


  "Der Verdacht, dass man das Blut mit Epo anreichern wollte, ist ebenso so gross wie der Verdacht, dass Blutwurst daraus gemacht werden soll."
Peter-Michael Diestel, Anwalt von Jan Ullrich.




  Blutwurst also. Kein Doping. Hätte uns auch gewundert, dass Deutschlands bester Radler nur ein windiger Betrüger ist. Er ist natürlich Opfer des gewissenlosen Madrider Gynäkologen Eufemiano Fuentes, dessen Labor ja schon seit geraumer Zeit als "Wurstküche" bezeichnet wird. Blutwurst aus der Wurstküche - jetzt ergibt das alles einen Sinn. Ist allerdings trotzdem völlig falsch. Wir haben unsere besten Kräfte unserer Wissenschaftsredaktion zu einer mehrmonatigen Recherche ausschwärmen lassen und sind jetzt in der Lage, die Geschichte der Madrider Blutbeutel exakt nachzuzeichnen.



Blutige Erkenntnis: Ein Madrider Beutel kurz vor der Infusion in einem Fernfahrerhotel.



  Alles begann vor gut einem Jahr damit, dass der stets hungrige Ullrich bei einer kleinen Trainingsrunde durch seine Schweizer Wahlheimat einem menschlichen Bedürfnis nachkam und sich an einem Plakatständer erleichterte. Da er dabei sonst nichts zu tun hatte, las er bedächtigt den Text des Plakats - ein Aufruf des Schweizer Roten Kreuzes zur Blutspende. Die eidgenössischen Helfer lockten Willige mit einer Prämie von zwei Franken und einer strammen Mahlzeit mit Mönchskopfkäse ("Tête de Moine") aus dem Kanton Bern, garniert mit einem Schlag Härdöpfelknöpfli (Erdäpfelknöpfe?) aus dem schönen Aargau nebst einem Glas fruchtigen Walliser Fendant.

  Ullrich beendete versonnen seine Erleichterung und beschloss, ein wenig Blut abzugeben, um sich danach die Erdäpfelknöpfe zu gönnen. In den nächsten vier Tagen machte er das insgesamt neunmal (4,5 Liter), was seine Äusserung bei der Tour de Romandie im April 2006 erklärt, bei der er sich ein bisschen müde gefühlt hatte.

  Was Ullrich nicht wusste - die Plakate waren plumpe Fälschungen, das angebliche "Labor" im Keller einer runtergekommenen Lagerhalle im Industriegebiet von Kreuzlingen die illegale Zapfstation der sibirischen Blutmafia. Ullrich wunderte sich zwar über die etwas abgerissene Kundschaft und die seltsam sprechenden Krankenschwestern, dachte aber, das sei halt so in der Schweiz. Die Härdöpfelknöpfli dämpften aber seinen Argwohn, sie waren wirklich sehr, sehr lecker. Von insgesamt 18 Euro Prämie kaufte er an einer Imbissbude vier Mistkratzerli (Hühnchen), drei für sich, eines für seinen Trainer Rudy Pevange. Beide waren satt und glücklich, die Tour konnte kommen.

  Dummerweise wanderte das Blut nicht in den Kreislauf armer Unfallopfer, sondern in die ganze Welt. In kalifornischen In-Restaurants werden neuerdings aus illegalen Spenderblut ökologische Erfrischungsgetränke gemixt, in Korea Riesenkarnickel genetisch verändert, und in der Schweiz dient das Blut als Basis eines Konservierungsmittels für maschinell hergestellte Härdöpfelknöpfli. Ulles Spenden Spenden wurden aber nach Madrid verhökert, wo der Gynäkologe Fuentes jeden Mittwochabend (von März bis Oktober) im Hinterzimmer eines Fernfahrerhotels Erweckungsmessen zelebriert und als Höhepunkt prominenten Menschen auf der Suche nach dem Sinn gegen Zahlung astronomischer Summen Bluttransfusionen legt. Unseren Recherchen nach war der Beutel "Nummer Eins" für König Juan Carlos bestimmt, bei "Rudis Sohn" soll es sich um Kevin, Bryan oder Marco Völler handeln, einen der drei Söhne des grossen Völler. Mit "JAN" ist ein Madrider Kinderbuchhändler gemeint, der es mit dem Verkauf mundübersetzter Werke des Künstlers JANosch zu einiger Prominenz gebracht hat und darüber etwas blutarm geworden war.

  Das alles hätte nie ein Mensch erfahren, wäre nicht eines Tages der international bekannte Radmanager Manolo Saiz mit 60 000 Euro bei Fuentes aufgetaucht und dabei von der Polizei geschnappt worden. Saiz wollte aber nur ein wenig frisches Blut kaufen, um es mitternachts bei Vollmond an einem Kreuzweg in den Pyrenäen mit etwas Krötenschleim und einigen Haaren andalusischer Jungfrauen zu vergraben. Dies sollte seinen Profis Glück für die Tour de France bringen. Aber da ihm niemand glaubte, dass das Rezept mit andalusischen Jungfrauen funktionieren kann (die reine Lehre geht von mindestens vier katalanischen Jungfern aus), kam eine Lawine ins Rollen, die am Ende den armen, unschuldigen Jan Ullrich unter sich begrub.

  Und das alles wegen 18 Franken und ein paar Pfund Härdöpfelknöpfli.
 

 

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