Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (12. August 2007)
  

   Wer diese Tage um die Dresdner Semperoper schlendert, hört oft ein leichtes Summen und kokettes Jubilieren. Es sind die Fledermäuse des Typs Kleine Hufeisennase (siehe Bild), die sich dort gesellig und virtuos einige Arien aus der "Fledermaus" zuwerfen, jener von Johann Strauss so glänzend zusammenkomponierten Artenstudie von Alphatierchen im alten Wien. Im Unterschied zu den Akteuren der Operette haben sich die Kleinen Hufeisennasen nicht als Fledermäuse verkleidet, sondern sind bereits so auf die Welt gekommen. Die Tiere halten sich gern im Schatten von Opernhäusern oder Theaterbühnen auf. Zur Gattung der Kultursäuger gehörend, bewerben sie sich um Statistenrollen oder drängen mit selbst verfassten Einaktern auf den Spielplan.



   Man erkennt sie darn, dass ihr Nasenblatt einen keilförmigen Sattel aufweist. Das Nasenblatt zu finden ist allerdings schwierig. Es ist wie in den modernen Inszenierungen: Keiner weiss, wo oben und unten ist. Schon in den ersten Wochen begleiten die Jungtiere die Müter auf der Jagd, während sie an einer "Scheinzitze" hängen. Damit sind sie für die Arbeit in einem Theater am Subventionstropf wie geschaffen.

   Die champagnerssprühenden Duette von Strauss klingen den Verantwortlichen in Dresden allerdings wie Totenmessen in den Ohren. Hat doch das Verwaltungsgericht der Stadt den Bau der Elbschlösschenbrücke untersagt, weil der Baulärm das operettenhafte Treiben der Fledermäuse störe und ihr Dasein in der Dialogwüste à la Strindberg verwandeln würde.

   Das wäre ein Verlust, denn das Liebesleben der Tiere gäbe allemal Stoff für ein Bühnenwerk ab. Im Feuerstrom der Reben nähmlich, also völlig betrunken praktiziert die Hufeisennase leichten Sinnes die Polygynie, paart sich also mit mehreren Weibchen, sogar mit den weiblichen Nachkommen der eigenen Frau. Ein Alban Berg oder Richard Strauss hätte sich alle Finger nach einem solchen Sujet geleckt.

   Deshalb plädieren wir für eine stärkere Teilhabe der Fledermaus am kulturellen Geschehen. Und wenn Sie, lieber Leser, diesen hufeisenförmigen Gedankengängen nicht folgen können, hängen Sie sich einfach eine Weile mit dem Kopf nach unten auf. Unserer nächsten Ausgabe legen wir je eine Kleine Hufeisennase bei. Seien Sie nett zu ihr.
 

 

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