Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (26. August 2007)
  

   Einem Fernsehbericht zufolge gibt es in der südchinesischen Millionenstadt Shenzhen mehrere Tausend Kunstmaler, die alles nachpinseln, was die alte und neue Klassik hergibt: Napoleon, die Mona Lisa, Roy Lichtenstein oder irgendeinen Impressionisten. Jeder Maler schafft fünf Bilder pro Tag, das entspricht rund 100 van Goghs.

   Das Beispiel zeigt, dass der Bedarf an Schönheit unermesslich ist. Da Schönheit aber in der realen Welt fast nei vorkommt, muss sie inszeniert werden. Neben der Malerei ist die Fotografie immer wieder ein dankbares Medium. Die US-Mondlandung, das Treffen Francos mit dem Führer, der Gewinn der Fussballmeisterschaft 1974, das Bad Maos im gelben Fluss, das Bad Helmut Kohls im Wolfgangsee und das Bad Nessies in einem schottischen Loch - all diese Ereignisse fanden in der Wirklichkeit nie statt, sind aber fotografisch dokumentiert. Pedanten und Kleingeister sprechen von Fälschungen. Doch der Begriff ist relativ, weil der Blick auf die Wahrheit oft erst durch bildnerische Korrekturen frei wird. Stalin beispielsweise wählte bei der Retusche von Fotos meist das Mittel der Erschiessung. Weil danach weniger Genossen auf den Gruppenbildern des Zentralkomitees der KPdSU herumstanden, erhaschten kunstinteressierte Betrachter erstmals einen Blick auf die architektonische Schönheit des Kreml.

   Frankreichs Staatspräsident Sarkozy kam dem Wunsch der Massen nach Vollkommenheit jetzt ebenfalls nach und liess aus seinem Urlaubsort Fotos verbreiten, in denen einige Speckröllchen an der Hüfte, im Deutschen Rettungsring, im Französischen Liebesgriff (poignées d'amour) genannt, fehlten. Die Redaktion der Illustrierten "Paris Match" erklärte, man habe nur einen Schatten aufhellen wollen. Genau darum geht es bei der Bildinszenierung: Die Schatten der Geschichte, die unvermeidlichen Misshelligkeiten, Fettnäpfchen und Fettpolster, die Tolpatschigkeiten und Blutbäder müssen aufgehellt, wenn nicht gar ganz aus dem kollektiven Gedächnis herausgepixelt werden.



   Auch die Bundesregierung will sich mit der schnöden Realität nicht abfinden. Der osramfarbige Teint von Bundesumweltminister Gabriel soll Virilität und Gesundheit demonstrieren und kann in jedem gängigen Bildbearbeitungsprogramm abgerufen werden. Bei den jetzt veröffentlichen Bildern der Kabinettsklausur in Meseberg ging man noch einen Schritt weiter. Unsere Wissenschaftsredaktion hat alle Fotos genau ausgewertet und kommt zu dem Schluss: Das dort ofiziell verabschiedete Klimapaket wurde nachträglich herausretuschiert. Beachten Sie bitte in dem oben stehenden Bild das Loch zwischen Frau von der Leyen und dem Mann im weissen Hemd. Das muss die Stelle sein, auf der das Paket ursprünglich stand. Gerüchten zufolge war es so klein, dass den Politikern sein Erscheinen peinlich war.

   Wie wir weiter erfuhren, soll jetzt im chinesischen Shenzhen ein Paket gemalt werden, das grösser ist, dem Vorbild aber zum Verwechseln ähnlich sieht. Der Inhalt allerdings bleibt unverändert und gilt als fälschungssicher.
 

 

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