Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (02. September 2007)
  

   Es ist ja im Mitteleuropa unserer Zeit unmöglich geworden, eine Wohnung ohne ein Produkt von Ikea einzurichten. Der in dieser Woche mit grossem Getöse ausgelieferte Katalog des Möbelhauses wird diesen Prozess der Skandinavisierung neu beleben. Leider begnügen sich die Schweden nicht mehr mit der blossen Möblierung deutscher Wohnstuben. Sie dringen in alle Bereiche des Lebens ein. Und das tun sie sehr effektiv. Hopps, da haben wir's! Wieder hat sich ein Ikea-Möbel in die deutsche Sprache eingeschlichen! Effektiv ist nämlich der Schreibtisch auf Seite 226 des Katalogs. Mit Rollen, aber ohne Griffe für 129 Euro.

   Aber was will Ikea wirklich? Unsere Wissenschaftsredaktion versuchte, die rätselhafte Welt der Schweden zu entschlüsseln. Wir recherchierten in Möbelhäusern, schlossen uns nachts im Kleiderschrank Anes (Seite 132) ein und bekamen vor Erschöpfung Agne (Seite 90), also Akne.

   Eine erste Sprachanalyse ergab folgendes: Der Schwede reiht scheinbar willkürlich Buchstaben aneinander, die dann eine Kommode namens Kviby ergeben (Seite 174). Sie könnte auch Kvöby oder Kövybes heissen und darf nicht mit einem Doppelbett Köfte oder einer Wandleuchte namens Döner verwechselt werden, die es beide noch nicht gibt. Dafür gibt es einen Hocker Benjamin, aber keinen Benjamin, der Hocker heisst. Auch keinen Höcker oder gar Höckfit.



   Jedenfalls stützt sich die Ikea-Sprache auf das indogermanische Sprachsystem, variiert es aber unter dem Einfluss von Aquavit, bzw. Äquafik. In chinesischen oder ungarischen Fabriken brechen Tausende Arbeiter die korrekten Konsonanten und Vokale aus den europäischen Sprachen heraus und ersetzen sie durch Umlaute. Aus Regal wird Rögäl, aus Bornholm wird Börnholm, aus Charakter Karaktär. In einem zweiten Schritt fliessen grosse Namen der schwedischen Geschichte mit ein: Alvine Triangel (Seite 27), die Erfinderin der Dinkelnackenrolle, Ektorp Bromma, (ebenfalls 27), der die schwedische Neutralität in dunkler Zeit wahrte, Gunghult (Seite 25), jene sagenhafte Gestalt aus der nordischen Mythologie, die mit dem Götterkönig Ivar (Seite 63) 134 Kinder hatte, die alle als Designer bei Ikea arbeiten, und nicht zuletzt Bibbi Snurr (Seite 282), kapriziöse Popkünstlerin im Stockholm der 60er Jahre.

   Dennoch: Ikea bleibt ein Mysterium. Wie wir erfuhren, wird der nächste Katalog Kätalög heissen und die Küchenschublade Obsölet, das Gardinenhängesystem Flamboyant und die Spiegelkommode Öbskur enthalten. Und im Restaurant wird ein Fischsalat namens Desolat gereicht. Oder Desölät? Ö Gott!
 

 

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