Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (23. September 2007)
  

   Guten Tag, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das einzig Beständige im Leben ist der Wandel. Deshalb halten Sie heute zum letzten Mal diese Ausgabe in gewohnter, gedruckter Form in Händen. Ab kommender Woche wird sie im Fernsehen ausgestrahlt, als Kochshow.

   Und das kam so: Schon seit längerem hatte unsere Redaktion einen Besorgnis erregenden Leserschwund registriert. Leser verschwanden spurlos, kehrten vom Zigarettenholen oder von Dienstreisen nicht mehr zurück. Unsere Leserschaft in der Metropolregion Netphen-Bad Laasphe war durch den Wegzug eines Abonnenten sogar um 50 Prozent eingebrochen. Dem konnte die Redaktion nicht mehr zusehen, ohne Massnahmen zu ergreifen.

   Eine Krisensitzung wurde anberaumt, in deren Verlauf erste schüchterne Vorschläge wie "Mehr Sport ins Blatt", "Gar kein Sport mehr" oder "Mehr ergreifende Sozialreportagen" mit einem eiskalten "Gibt's schon" erschlagen wurden. "Wir müssen zurück zum Wahren, Schönen, Guten", fiepte die graumäusige Literaturredakteurin. Schweigen. Keiner wollte Schuld an den Tränen der Kollegen sein. Der Chefredakteur murmelte versonnen ein altes Götz-von-Berlichingen-Zitat vor sich hin: "Erst kommt das Fressen, dann ..." - "... das Trinken", ergänzte der Kollege vom Sport, der ganz gegen seine Gewohnheit der Unterhaltung gefolgt war, ohne einzunicken.

   Mit diesem rhetorischen Kunstgriff war die Richtung vorgegeben: Wenn wir schon nicht mehr die Köpfe unserer Leser erreichen, dann eben ihren Bauch. Mit einer Kochshow. Einer der Teilnehmer der Krisensitzung erinnerte sich, er habe gehört, Kochshows sei ein Riesen-Trend. Deshalb gehen wir mit der Zeit, gehen auf Sendung und veröffentlichen als kostenlosen Zuschauerservice die interaktiven Rezepte der Show im Web 2.0 sowie über IPTV.



   In der ersten Folge steuert unser Hauptstadtkorrespondent in Reminiszenz an die Frankfurter Hausbesetzerküche sein Lieblingsrezept bei: Ein im kalten Rauch gebeiztes Kommunardenbrüstchen an einem Salat von legalisiertem Hanf im Jute-Wantan; das Ganze nappiert mit Harnomiegesülze. Der Männerkochclub des Sportessorts (Siehe Bild) serviert eine Bananenflanke mit gelbrotem Pfeffer, dreierlei Variationen von der Blutgrätsche und ein Schmarrngröstel nach Beckenbauer Art. Dazu Pausentee. Auf Wiedersehen und guten Appetit.

   Ach so, Sie müssen ja noch wissen, wo Sie uns empfangen können. Wir senden jeden Montag früh von 3:30 bis 4:30 Uhr auf Kanal 27 des slowakischen Kabelnetzes. Die Herstellungskosten einer Fernsehsendung sind in Bratislava um den Faktor zehn niedriger als in Deutschland. Sobald der erste slowakische Kommunikationssatellit im Orbit kreist, sind wir auch per Schüssel empfangbar. Bis dahin benutzen Sie Schüssel bitte zum Nachkochen unserer Rezepte.
 

 

Zurück