Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (28. Oktober 2007)
  

   Es muss hier über die Nase gesprochen werden. Warum? Nun, das Bistum Fulda hat seinen katholischen Kindergärten den Besuch eines Theaterstücks zur Sexualaufklärung im osthessischen Künzell untersagt. Das Stück "findet nicht die Billigung der katholischen Kirche", erklärte der Fuldaer Bischof Heinz Josef Algermissen. Das Bühnenstück "Nase, Bauch und Po" will die Frage der Kinder zu Freundschaft, Liebe und Berührung thematisieren - heisst es.

   Nun gut, Bauch und Po hätte man in diesem Kontext vermutet - aber die Nase? Fernab vom Unterleib in der frischen Luft verortet, soll sie jetzt im Morast der Sexualaufklärung versenkt werden. Früher, in Zeiten des Irrglaubens, war die Nase der verlängerte Arm des Geschlechtstriebs. Männlicherseits galt sie geradezu als Garant für geschäftlichen Erfolg, dem ja bekannterweise meist auch das Glück in Liebesdingen folgt. Haare auf der Nase waren ein Indiz für Willensstärke, ein verstopftes Riechorgan verhiess seelisches Ungemach, wenn nicht gar den Verlust der Doppelgarage. In Zeiten der Globalisierung hat die Nasendeutung an Schlagkraft verloren. Unsere Wissenschaftsredaktion hat Hunderttausende von Nasen verglichen und die Ergebnisse vergessen. Klar ist nur. Die erotische Bedeutung der Nase ist von der Kirche völlig richtig erkannt worden.

   Ein kleines Organ nämlich, das so genannte Jacobson-Organ, liegt in der Nase aller auf dem Land lebenden Wirbeltiere. Wer im südhessischen Künzell aufwächst, kann getrost von sich behaupten, er lebe auf dem Land, entstammt also einem Kulturkreis, in dem man die Nase noch im Gesicht und nicht im Unterleib trägt. Wissenschaftler fanden heraus: Bei Mäusen verhalten sich nur die Weibchen mit funktionstüchtigem Jacobson-Organ weiblich. Fällt das Organ aus, wechselt sie das Geschlecht. Sie hört auf, sich mit Nestpflege zu beschäftigen. Stattdessen beginnt sie, um Weibchen zu balzen wie ein Männchen.

   Ohne Nase geht es also drunter und drüber. Wer schon einmal wie der alte Kowalew in Gogols berühmter Erzählung ohne Nase aufwachte, weiss, wovon die Rede ist. Der wollte den Verlust der Polizei melden, während seine Nase seelenruhig auf dem Newski-Prospekt spazieren ging. Dem Verlust oder Po hätte Kowalew womöglich garnicht bemerkt, und wenn doch, durch geschickte Kleidung und Wodkakonsum kaschiert. Die fehlende Nase aber stiess ihn in ein Pandämonium seelischer Abgründe. Und jetzt will ein hessisches Provinztheater unschuldige Kinder mit der Nase auf diese Problematik stossen, statt zu warten, bis sie reif und ernst selbst erste Nasenerfahrungen machen, sich ihres Hineinragens in die Seelenlandschaft bewusst werden.

   Die Sache ist also verzwickt und alles andere als ein Sturm im Wasserglas, von dem die Organisation Donum Vitae sprach. Was hätte eine stolze Nase auch in einem Wasserglas zu schaffen? Sie ist schliesslich kein Laternenpfahl im Geplätschers des Zeitgeistes. Wir fordern deshalb: Lasst die Nase raus aus den kleinlichen Streitereien um Kindererziehung und Aufklärung. Packt sie warm ein, schickt sie meinetwegen alleine zum Einkaufen. Aber in Kinderhände gehört sie nicht.
 

 

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