Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (13. Januar 2008)
 

   Diese Woche geriet wieder der uralte Berufsstand des Grimasseurs ins Blickfeld der Öffentlichkeit. Grimasseure zogen einst in alten Planwagen von Ort zu Ort und verängstigten die Besucher auf Jahrmärkten mit den abscheulichsten Gesichtsverzerrungen. Der Begriff Grimasseur geht zurück auf den französischen Adligen Maurice Chevalier Duc de Grimasseur, der im 16. Jahrhundert an der Spitze eines kleinen Heeres die zahlenmässig überlegenen Osmanen aus Europa zurückschlug, indem er so fürchterliche Fratzen schnitt, dass die Invasoren die Flucht ergriffen oder sich freiwillig taufen liessen.



Im Zeitalter digitaler Fotografie schien der Grimasseur in Vergessenheit zu geraten. Schliesslich ermöglicht die moderne Technik ohne langes Training Verzerrungen bis zur Zweieinhalbfachen der Erdbeschleunigung. Dennoch: Im Verborgenen blühte die Kunst des Grimassierens in vielen Ländern weiter. In den USA treffen sich derzeit im Zuge des Vorwahlkampfs die besten Grimasseure des Landes zu einem Wettstreit auf höchstem Niveau. Wie früher ziehen sie mit ihren Wohnmobilen, mobilen Telekommunikationsanlagen, Leibwächtern, Diatköchen und Marketingexperten von Ort zu Ort, um die Zuschauer das Fürchten zu lehren. In Führung liegen derzeit die Grande Dame des Metiers, Hillary Clinton. Nach verhaltenem Start legte sie diese Woche mächtig zu und erhielt in Kür und Pflicht Bestnoten. Natürlich zeigte sie ihre bekannten Klassiker wie "Das Erdbeben von Lissabon" (siehe Bild oben) oder den "Brennenden Dornbusch". Aber auch neue Fratzen wie "Schrei der Eule am braunen Fluss" (siehe Bild unten) waren zu sehen.

Ihr Konkurrent, den man nur unter seinem Künstlernamen "Der grosse Obama" kennt, beschränkt sich auf die Disziplinen "Dauerlächeln", "Mahnen" und "Aufrütteln". Zu wenig für den Sieg. Auf Rang drei findet sich John Edwards (siehe Bild unten), der grosse Erneuerer der Grimassierkunst. Millionen Amerikaner sahen jahrelang sein drohendes Lächeln, nahmen aus Angst schlecht bezahlte Arbeiten auf oder verzichteten auf häusliche Gewalt.



   Wer sich selbst in der Kunst des Grimassierens üben will, sollte vorsichtig zu Werke gehen. Allzu leicht kommt es zu Muskelrissen oder zur Zahnschiefstellung. Beginnen Sie also mit einem leichten Malmen des Kiefers. Wer seine Augen weiten will, stellt sich vor, Hillary Clinton würde an einem ganz normalen Vormittag an der Haustüre klingeln. Merken Sie den dabei entstehenden Gesichtausdruck und schicken Sie uns Ihre Grimasse in die Redaktion. Die besten Einsendungen werden mit einem Gesichtspeeling prämiert.
 

 

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