Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (03. August 2008)
 

   Kürzlich richteten sich alle Blicke auf die eisigen Höhen der alpinen Bergwelt, auf die dort umherkletternden Extremsportler und die von ihnen ausgelösten Tragödien und Lawinen. In den Hintergrund gerät da jene alpinistische Disziplin, die wie keine andere ein Übermass an Leidenschaft, Gefahr und Selbstüberwindung bereithält: Das alpine Extremvespern, bei dem in bewirtschafteten Berghütten sämtliche angebotenen Speisen und Getränke inkorporiert werden müssen. Nur wenige haben sich in die eisigen Höhen der 9000-Kalorien-Gipfel gewagt. Einer von ihnen ist Albin Kreuzkofler.

   Sein aberwitziger Plan: Als erster Mensch 14 Hütten durchzuessen, deren Speisekarten nie weniger als 24 000 Kalorien aufweisen. Vor Nachahmung sei hier ausdrücklich gewarnt. Wer nähmlich glaubt, er könne in Badelatschen in irgendeine Hütte einsteigen und sich durch die Karte fressen, spielt mit seinem Leben. Gerade die vermeintlich leichten Hütten gelten unter Extremvespern als tückisch. Ihre Speisekarten enthalten Vegetarisches oder leichte Biokost. Wer sich zu einer schnellen Gangart verleiten lässt, muss bitter büssen. Völlegefühl, Schwindel und Orientierungslosigkeit bis zum körperlichen Zusammenbruch drohen.

   Doch Kreuzkofler kommt gut voran. Auch nach den ersten acht Hütten und mehreren Tirolerknödeln mit Suppe und Sauerkraut (siehe Bild) behält er den Rhythmus. Hier liessen frühere Expeditionen oft abreissen. Zu übermächtig schienen die Barrikaden aus Fleisch und eingedickten Sossen. Kreuzkofler meistert diese mit dem Schwierigkeitsgrad 7 plus ausgezeichnete Prüfung und arbeitet sich durch eine schwierige Traverse aus Hüttengröstl mit Salat und Spiegelei, Röstkartoffeln mit Speck im Almpfandl, gegrilltem Schweinefleisch mit Zwiebeln, Champignons und gratinierten Spätzle. Aber dann lassen ihn heftige Darmwinde und eine unvorhergesehene Enzian-Unverträglichkeit erschöpft innehalten. Wieder ist es die berüchtigte Almpfandl! Sie hat viele Tragödien gesehen, liegt doch ihr Fettgehalt über dem eines Kuheuters.



   Doch ein Zurück gibt es nicht, denn in der Ferne glitzert der Gipfel: Ein aus sechs Kilo geschichteter Kaiserschmarrn, der Nanga Parbat unter den Süssspeisen.

   Warum diese Quälerei? Kreuzkofler: "Wir können nur wachsen, wenn wir uns unseren Ängsten stellen - Leistungsfressen ist ein Metapher dafür." Mit diesen Worten greift er an der Todesverschneidung in der Gneisslhütte an, deren Speisekarte bisher als kaum lösbare alpinistische Prüfung galt. Ein Pfeiler aus mehreren Kilo Bauernsalat mit Putenstreifen stellt sich in den Weg; gefolgt von den berüchtigten Kaspressknödeln mit Suppe. Zuletzt wurde hier eine polnische Expedition auf dem Weg zur Toilette in einen Topfenstrudel gerissen. Von den Sportlern fehlt bis heute jede Spur.

   Kreuzkofler schlägt einige Sicherheitshaken in einen Vanilleeiskloss im Kürbismantel. Nacheinander räumt er Ötztaler Blunzn, Bauernkrapfen, original Niederhüttennnudeln, eine schwer zu gehende Gamper-Hauswurst mit Sauerkraut, Senf und Brot aus dem Weg. Es warten noch: Das sogenannte Chimborazo Menü mit 6310 Kalorien, der Pico Orizaba mit viel Sahne (5700 Kalorien) und ein Steirischer Rindfleischsalat mit Zwiebelringen, Essiggurkerln, Pfefferoni, Tomaten, Ei und dem beliebten "Arlberg-Spitz"-Brot (8013 Kalorien).

   Als die Sonne untergeht, hat sich der Alpinist in die Kaiserschmarrn hineingewühlt. Seine Gesichtszüge sind käsig, der Cholesterinspiegel liegt im nicht mehr messbaren Bereich. Doch Kreuzkofler will jetzt den totalen Triumph und erkundigt sich nach der Tagesempfehlung! An der Basisstation, wo seine Körperfettwerte per GPS überwacht werden, hät man den Atem an. Vor dem Extremvesperer bauen sich auf: Gegrillte Schweinsripperl mit Knoblauchbrot und ein kompletter Dachstein vom Rind an einem Gesäuse aus Schweinesülze. Dann folgt die Grosse Bischoffsmütze aus Crème Brulée, angerichtet auf einem Sauerkirsch-Grand-Marnier-Spiegel.

   Als die Sonne untergeht, kriecht Kreuzkofler in sein Notbiwak, ein Grossraumzelt, das er voll ausfüllt. Jetzt kann bereits ein fettreduzierter Joghurt das Fas zum Überlaufen bringen. Wird er die Nacht überstehen? Wir berichten weiter.
 

 

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