Um den Hintergründen der
weltweiten Finanzkrise auf den Grund zu gehen, hatten wir uns
dieser Tage mit Herrn S. verabredet. Er arbeitet seit rund 300
Jahren als Pförtner in einer Grossbank und hat die alten Zeiten
noch miterlebt: "Die Bankiers (so nannte man sie damals)
grüssten morgens freundlich und verbrachten den Tag damit, Geld
zu zählen und nach Farbe zu sortieren. Das gute alte Bankgeschäft
halt." Nach Feierabend erfrischte man sich bei einem Bad
im Zentralgeldspeicher, der noch mit echten Golddukaten und
nicht mit Immobilienzertifikaten gefüllt war.
"Damals
wusste jeder noch, wo sein Platt war", erinnert sich Herr
S. Doch die Dienstwagen wurden teurer, die Häuser und Handtaschen
auch - viele Bankiers waren gezwungen, sich neue Geschäftsfelder
einfallen zu lassen. "Die Türme meiner Bank wurden immer
höher und höher." Man fühle sich einfach näher bei Gott,
sagte damals ein Banker im Aufzug. "Gott?", so ein
anderer, "könnte man auf den nicht ein Zertifikat mit begrenzter
Laufzeit ausgeben? Als Basiswert die geschätzten Tage bis zur
Apokalypse?" Herr S. lächelt: "Die Apokalypse kam
ja dann doch schneller als erwartet." Aber das ahnte zunächst
niemand. Die Türme dampften vor Erregung, so dass man nicht
mal im Winter heizen musste. Es war die Zeit der K-Produkte:
Kupfer, Kobalt, Kanonen - mit allem wurde gehandelt. Wem nichts
mehr einfiel, der verkaufte Knock-out-Zertifikate, deren Basis
die Zahl der Dürreperioden in Afrika war, oder Basket-Turbos
mit einem Durchschnittsindex der prognostizierten Autounfälle
auf der A2 Bottrop-Hamm-Üntrop.
Herr
S. winkt müde ab: "Ich habe das irgendwie nicht mehr durchschaut.
Früher betrat ich die Bank und ging zwischen Säulen aus Festgeld
durch. Später musste ich mir den Weg durch Zusammenballungen
von Puts und Calls bahnen, an jeder Ecke lümmelten Hedgefonds.
Wie oft bin ich auf dem glitschigen Teppichen aus Gier und Angst
ausgerutscht oder mit dem Kopf gegen eine wertlose ostdeutsche
Gewerbeimmobilie gestossen."
Die
Banker wurden immer jünger, trugen Krawatten aus tibetanischer
Gebetsseide und Schuhe aus dem Leder sanft zu Tode massierter
Schweine. Sie besuchten Prostituierte aus biologischem Anbau
und liessen ihre Hunde von nubischen Sklaven um die Gassen führen.
"Alles musste sexy sein damals", seufzt Herr S. "Auf
mich traf das nur bedingt zu. Ich habe mich deshalb als Heuschrecke
verkleidet, um nicht gefeuert zu werden. Hat kein Schwein gemerkt.
Beim Reingehen nickten die Manager mir sogar freundlich zu.
Fast so, als wären wir alte Freunde."
"Übrigens",
Herr S. winkt verschwörerisch mit einem Stück eng bedruckten
Papier, "unser Haus hat tatsächlich ein neues Anlageprodukt
aufgelegt. Ein Discount-Zertifikat auf Basis der weltweit entlassenen
Investmentbanker. Steigt deren eingespartes Jahreseinkommen
über die Zahl von 45 Trillionen US-Dollar, wird es mit einem
Bonus von 0,5 Prozent zurückgezahlt. Wie wär's? Hätten Sie nicht
Lust? Die Zeichnungsfrist läuft." |