Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (19. Oktober 2008)
 

   Wie in jedem Jahr besuchte unser Literaturressort die Frankfurter Buchmesse. Innerhalb weniger Tage las sich unser alter Laptop, übrigens einer der Mitbegründer der Gruppe 47, durch die Buchumschläge von rund drei Milliarden Neuerscheinungen. Einige der schlechtesten möchten wir Ihnen vorstellen.

   Susam Pansen, ein anatolischer Schriftsteller, lernte erst im Alter von 92 Jahren Lesen und Schreiben und musste deshalb gleich mit seinem Spätwerk beginnen. "Die Milch der Ziege" beschreibt mit gleichmütigen Metaphern das türkische Bauernleben. Wer sich bis zur Seite 567 durcharbeitet, möchte lieber in saurer Sahne ertrinken. Paolo Coellosnys neuer Roman ist ungefähr so sensibel wie die letzten fünf letzten. Der Autor spiritualisiert sich durch die Suche einer Frau nach ihhrer Bestimmung. Ein uralter, aber sexuell aktiver Magier taucht auf und verschwindet wieder. Könnte Tausende Lidl-Verkäuferinnen vor dem Selbstmord bewahren. Bereits in 67 Sprachen übersetzt, die meisten davon Deutsch und Evangelisch.

   Maxim Wellbeque, der kühle Erotomane aus Paris, bringt auf 500 Seiten 789-mal das WOrt Sex unter. Franz Doblhauser erzählt in "Alpenglühen" seine Kindheit in Tirol, die sich in nichts von der anderer Menschen unterscheidet. Doblhauser spaart die deutsche Vergangenheit nicht aus. Warum auch? In Kärnten war der Autor deshalb Star einiger Bücherverbrennungen. Jenny Erkenschwick, die grundlos gefeierte junge Newcomerin, beschreibt irgendein Beziehungsdrama. Wer sich in das linguistische Röhricht wagt, hat keine Lust mehr, seine Frau zu schlagen. Claudine Storchenschnabel liefert in "Wie Herr S. seine Sim-Karte brät" das gallig-tragische Psychogramm eines Telefonverkäufers, der von allen guten Geistern verlassen ist. Wer mehr Substanz will, bestellt das BUch gleich als Klingelton.



   Besser sieht es bei den Sachbüchern aus: "Mach disch kaputt!". Der ZDF-Terrorismusexperte Elmar Treuwiesen legt seine Recherchen aus den Parallelwelten der Münchener U-Bahn vor. Ergebnis: Al-Qaida geht mittlerweise aktiv gegen Nichtrauchern und Rentner vor. Eine beunruhigende Lektüre, meint wer auch immer. Bei den Kinderbüchern ragt vor allem "Osram und Özedemir" von Peter Sundquist hervor - ein sensibles Porträt der komplizierten Freundschaft zwischen Frosch und Fisch in Albanien der Zwischenkriegszeit (siehe Bild). Kann auch im Ofen aufgebacken werden.

   Und noch ein Geheimtipp: "Lieber Fest als Festgeld" von Tomo P. Der Autor gibt ein Bekenntnis zur Verschwendung ab, das in seiner Radikalität an Fellinis "Grosses Fressen" oder Johan Lafers Knödel-Kochbuch erinnert. Wer nach der Krise noch Geld übrig hat, erfährt hier, wie er es auf den Kopf haut. Wer blank ist, kann das Buch seinem Investmentberater auf den Kopf hauen.

   Übrigens ist der Job für Kritiker nicht einfacher geworden. Beim Verriss von einigen der neuen E-Books haben sich viele Kollegen schwere Schnittverletzungen zugezogen. Im kommenden Jahr schicken wir deshalb nur noch Laptops nach Frankfurt.
 

 

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