Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (07. Dezember 2008)
 

   Unsere Redaktion liefert dem Leser ein Maximum an Orientierung in wichtigen Alltagsfragen. Wäre die Zeitung sonst ihren sagenhaften Preis wert? In der Vorweihnachtszeit gibt es für uns besonders viel zu tun. Männer fragen uns, welche Konfektionsgrösse Frauen so allgemein haben und mit welcher Eselsbrücke man sich diese Zahl merkt. Damit nicht genug: Viele Leser lassen sich nach dem Einkauf zum Besuch eines Weihnachtsmarkts verlocken, ohne zu ahnen, welche Gefahren dort lauern. Meist verliert sich ihre Spur schon nach wenigen Stunden. Für die Angehörigen gilt: Nicht in Panik verfallen, die meisten Vershollenen tauchen um Dreikönig wieder auf, können sich wegen des eingeatmeten Zimtnebels aber an keine Details erinnern.

   Es braucht also Basiswissen für den Besuch eines Weihnachtsmarkts: Wer beispielsweise zum legendären Striezelmarkt in Dresden (siehe Bild) will, sollte wissen, dass ein Striezel aus mindestens zwei im Stollen geräucherten Bratwürsten besteht, die nicht mehr als 13 Euro kosten dürfen. Hände weg von Striezeln, die Ihnen von Jugendlichen mit Migrationshintergrund angeboten werden und meist aus illegalem Anbau stammen. Aber auch die berüchtigten örtlichen Striezel nutzen das Gedränge, um arglosen Besuchern das Geld aus den Taschen zu ziehen. Wer Authentizität erleben will, sollte ohnehin woanders nach dem Weihnachtszauber suchen. Berlin-Neukölln etwa gilt unter Kennern als faszinierendes Konglomerat aus Trinkfreudigkeit und kultureller Vielfalt. Sozialgutscheine können an jedem Stand eingelöst werden. Viele Besucher, die das ganze Jahr in den benachbarten Eckkneipen verbringen, strahlen wie die Kinder, wenn sie endlich im Freien trinken können und für die Lieben zu Hause ein Stück eingeschweisster Zervelatwurst ergattert haben.



   In den industriellen Ballungszentren des Westens sind die Weihnachtsmärkte ein Stück Volkskultur. Meist finden sie in den Altglassammelstellen grosser Supermarktketten statt. Wer dort einen Adventskranz aus Polyäthylen erwirbt, bekommt einen Sacke Grillkohle vom Vorjahr als Geschenk. Wer das Abenteuer sucht, drint in eines der der entlegenen Bergdörfer der Tiroler Alpen vor und wird mit ein wenig Glück Zeuge eines bewegenden Rituals: Junge Burschen schüten sich solange Glühwein in die Lederhosen, bis einer heult. Seit einigen Jahren gilt auch die Zentrale der Deutschen Bank in Frankfurt als Hotspot für Romantiker. Die Manager vom Global Banking sind bei ihrem drolligen Tanz ums goldene Kalb von Original.Weihnachtsmännern kaum noch zu unterscheiden. Mit einem leistungsfähigen Navigationssystem findet man problemlos ins ländliche Thüringen, wo auf vielen örtlichen Bauhöfen der Glühwein mit dem Wagenheber umgerührt wird, bis sich Altöl und Kardamon als feste Bestandteile absetzen. Nachdem mehrere tausend Liter ausgeschenkt wurden, stellen die Teilnehmer des örtlichen Opelclubs die Odyssee der Heiligen Familie mit einem Autokorso nach.

   Auch im Felde wird Weihnachten gefeiert. Unsere Truppen an den fernen Fronten trinken im Advent statt Glühwein meist Granatapfelsaft, der nach Genuss bis zu drei Meter weit streut. Gehen Sie hier auf Nummer sicher und falten Sie Ihre Tageszeitung zu einem Stahlhelm. Damit sind Sie auch auf dem Striezelmarkt ungefährdet unterwegs. Die Faltanleitung liegt unserer nächsten Ausgabe bei.
 

 

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