Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (14. Dezember 2008)
 

   Weder Merkel noch Sarkozy waren die Akteure dieser Woche, sondern Tief "Sabrina" über dem Baltikum und Tief "Tine" über Norditalien. Beide griffen so massiv in die Biosphäre ein, dass sich in den Wolken feinste Tröpfchen unterkühlten Wassers an Kristallisationskeimen anlagerten und dort gefroren. Die entstandenen Eiskristalle (siehe Bild), weniger als 0,1 mm gross, fielen durch zunehmendes Gewicht nach unten und wuchsen durch den Unterschied des Dampfdrucks zwischen Eis und unterkühltem Wasser weiter an.

   Auch resublimierte der in der Luft enthaltene Wasserdampf, ging also ddirekt in Eis über und trug damit zum Kristallwachstum bei, Es bildeten sich sechseckige Formen. Wegen der besonderen Struktur der Wassermoleküle waren dabei nur Winkel von 60 Grad bzw. 120 Grad möglich. Mit einem Wort: Es schneite. Der Schnee ist ja von jeher ein williger Bettgenosse von Hobbylyrikern, er liefert schwülstige Verwehungen und eisige Metaphern. In den Zeitungsredaktionen wird Schnee als Dämon des Strassenverkehrs wahrgenommen, das Schreiben aber macht er schwer, weil viele Sätze gefrieren, noch ehe sie aufs Papier kommen. Wie leicht wäre es doch, wenn man Schneeketten statt Sätze aneinanderreihen könnte! Gäbe es einen journalistischen Räumdienst, der die ganze Gedankenblockade beiseite schöbe und ein paar Pointen ausstreute, wir würden ihn jetzt herbeitelefonieren. So aber fragen wir ein paar Prominente nach ihren schönsten Schneeerlebnissen, damit diese Spalte gefüllt wird:



   Guido Knopp: Vor Jahren stellten wir die Schlacht von Stalingrad fürs Fernsehen nach. Wenn damals der Schnee drei Tage später gekommen wäre, hätten wir den Ausbruch aus dem Kessel gewagt. Dann hätte ich endlich Geschichte neu schreiben können. So blieb alles im historischen Gedankenschlamm stecken.

   Johannes Heesters: Damals drehte ich mit Rühmann "Drei Penner im Schnee", oder war's doch die Fledermaus, "Täubchen, das ich oft geküsst, lass dich wieder fangen", ja das waren noch Zeiten und überhaupt hatte der Führer auch seine netten Seiten, wird ja heute alles nur negativ, wenn ich bitte jetzt meine Suppe haben könnte ...

   Ivo Batic, Tatortjugoslawe: Als ich in der Verfilmung des Schweden-Thrillers "Frau Chinchilla berührt den Schnee" mitspielte, musste ich hinreissende Liebesszenen mit meiner Partnerin drehen, die dabei erfror. Die schlechten Kritiken sass ich danach im heissen Wasserbad aus. Seitdem kann ich nur noch ins Kino gehen, wenn ich Wärmesalbe auftrage.

   Joachim Fuchsberger: Ach, der erste Schnee nach dem Krieg. Wir sendeten unsere Shows aus einer Waschküche in Unterföhring. Das ewige Geriesel auf dem Bildschirm! Zu jedem Zuschauer mussten wir nach Hause, um die Mattscheibe freizukratzen. Aber jetzt kommt ja Gott sei Dank der Klimawandel.

   Konstantin Wecker: Schön war das damals im Schwabinger Hochsommer, als der erste kühle Wind aus dem fernen Osten uns den Schnee direkt in die Nase pustete und sich die eine oder andere Dachlawine aus dem Kleinhirn löste. Das schreibst aber net auf, gell!

   Makoto Kobayashi, Nobelpreisträger: Schneeflocken sind für mich nichts anders als Wassertröpfchen, die zu Boden fallen, und dabei die Tendenz entwickeln, sich einzuholen. Forsche seit Jahren an fraktalen Formen wie Schneekristallen. Aber immer, wenn ich sie ins Labor bringe, zerrinnen sie wieder zu Matsch. Wenn wir dieses Problem lösen, ist der Klimawandel kein Thema mehr.

   Michael Kemmer, Chef der BayernLB: Ich geniesse den Schnee richtig, weil dabei fast alle Kontobewegungen einfrieren. Ausserdem riecht man die faulen Kredite aus dem Keller nich mehr so stark.

   So, damit hätten wir es beinahe geschafft. Jetzt ist es an Ihnen, liebe Leser, ein paar schöne Gedanken zum Schnee zu Papier zu bringen. Benutzen Sie bitte Worte wie Kristall, Stille, Kerzenschein, Sehnsucht, Wärme. Wenn uns das Ergebnis trotz aller Schneeverwehungen erreicht, drucken wir es vielleicht.
 

 

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