Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (22. Februar 2009)
 

   Deutschland in Not. Die Übernahme zahlloser Banken bringt den Staat an die Grenze seiner Leistungskraft, wird aber weithin akzeptiert, weil jeder ahnt, welche Tragödien sich hinter den Bilanzen verbergen. Wir kennen die Betroffenen. Einer von ihnen - einst leitete er die Investmentsektion einer internationalen Bank - schlendert heute ziellos durch die Frankfurter City. Entlassen! Sein Psychologe rät ihm, langsam den Kontakt zur Wirklichkeit zu suchen: "Gehen Sie raus, machen Sie mit Ihrer Frau irgendwas Schönes." Eine furchteinflössende Vorstellung. Seine Frau, ein flüchtiger Schatten der Erinnerung, fragte ihn nach seinem Vornamen. Seine Tochter, von der vermutet hatte, sie studiere im Ausland, malte ihm ein Bild mit viel SOnne und Blumen (siehe Bild), als sie aus dem Kindergarten kam. Und die vielen Menschen mit Turnschuhen und billigen Handys! Gab es die früher auch? Ja früher! Da kamen die Bonuspäckchen mit Diamanten, Gewürzen und Reisegutscheinen, jeder griff sich, was er konnte, und steckte dem Pförtner beim Rausgehen ein paar Goldtaler in den Mund.



   Jetzt soll er also ein normales Leben führen. Selbst einkaufen, beispielsweise. Bizarre Idee, denkt er. Er betritt die Filiale eines Discounters. Was es nicht alles gibt! Kaffeepads, fettarme Milch, Hähnchenbrüste und und und. Er rafft schnell einige Tüten mit Chips, zwei Becher Joghurt und eine Flasche Cola Light zusammen. Die Kassiererin sieht ihn durch ihre grossen Augenringe an "Geht's Ihnen nicht gut. Sie sehen so müde aus", fragt er sie. "Ich bin müde. 22,30 Euro, bitte." - "Ja, ja. Haben Sie mit Ihrem Chef schon ein Personalentwicklungsgespräch geführt? Also wir bei der Abteilung Global Banking trafen uns imer in so einem Sushi-Laden .." - "22,30 bitte!" - "Wo habe ich den ..." Er wühlt in den Taschen, findet aber nur den formlosen Entlassungsbrief. "Da muss ich doch noch eine Kreditkarte ..." - "Wir nehmen keine Karten." - "Und wenn ich Ihnen meine Uhr, Lange und Söhne, Handaufzug ..?" - "Lassen Sie mal, nehmen Sie das Zeug und zahlen Sie das nächste Mal." - "Danke, danke."

   Es wird Abend. "Jetzt gehen alle nach Hause", denkt er. Er beneidet sie: Die Handwerker, Fahrradkuriere, Friseurinnen, die jetzt ihren Jahresboni abholen, sich ein paar nette Sachen zum Anziehen kaufen oder eine Kiste Champagner. "Und ich ..?" Er blickt hinauf zu den Sternen. "Vielleicht sind sie dort oben, die ganzen Milliarden." Eigentlich ein schöner Gedanke. In seine Taschen findet er die zerknüllte Zeichnung seiner Tochter. Er lächelt. "Das ist ein Goldregen", hat sie gesagt. "Goldregen, keine schlechte Idee. Morgen frage ich sie, ob sie auch einen Geldregen machen kann."
 

 

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