Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (08. März 2009)
 

   Man muss diese Woche über einen Mythos sprechen: Über den Opel (siehe Bild). Aufgewachsen in der bitterarmen Nachkriegszeit, konnte er nur auf dem zweiten Bildungsweg einen vernünftigen Bildungsabschluss erwerben. Dank seines unermüdlichen Fleiss, seiner Leidensfähigkeit und der völligen Missachtung des Zeitgeists und dessen modischen Wichtigtuereien hat der Opel über viele Jahre hinweg einen Platz im Herzen der bundesrepublikanischen Gesellschaft gefunden.



   Es gehörte damals zum guten Ton, den freundschaftlichen Umgang mit einem Opel zu pflegen, man lud sich ein, wechselte das eine und das andere Wort und liess es dabei bewenden. Im zeitgenössischen Theater oder in der Oper sah man den Opel selten, wie er auch kein eifriger Besucher von Vernissagen odet Cocktailbars war. Gerade um seiner unaufgeregten Normalität willen mochten die Deutschen den Opel, ja sie bewunderten ihn. Denn er war wie sie, hatte sich durch alle Zeitläufe und Scheusslichkeiten des Jahrhunderts hindurchgeopelt. Fragen der nachwachsenden Generationen ("Was habt ihr damals eigentlich gemacht?") begegnete der Opel mit Unverständnis ("Was hätten wir denn tun sollen - uns waren doch die Hände gebunden!"). Letztlich sass der Deutsche mit dem Opel in einem Boot. Man war noch einmal davon gekommen. Nur gelegentlich schaute man wehmütig auf den Blitz im Opel-Signet und erinnerte sich an die gleichnamige Strategie des schnellen Panzervorstosses, mit der man ja durchaus Erfolge erzielt hatte. Tempi passati. Jetzt stand Opel für Normalität. Heinz Rühmann galt als der erste Opel im Unterhaltungsbusiness, Polit-Opel wie Ludwig Erhard und später Helmut Kohl prägten den Aufstieg Deutschlands, ein Sport-Opel wie Fritz Walter stärkte das nationale Selbstbewusstsein. Die Bundesrepublik veropelte, sie drehte langsam hoch und hielt ihre Drehzahl wie ein Dieselmotor.

   Die Wende kam in den achtziger Jahren. Der hedonistischen Jugend erschien der Opel altbacken, die Vätergeneration schmähte seine Unzuverlässigkeit; fast niemand wollte einen Opel zum Freund haben. Die Finanzkrise gab dem Opel den Rest, hatte er doch alls eine Ersparnisse unter Matratzen angelegt, die rapide an Wert einbüssten.

   Sein Schicksal schien besiegelt. Der Opel verschwand aus dem Stadtbild. Der eine oder andere stand in verrufenen Raucherkneipen am Tresen, fristete sein Dasein als Hinterbänkler in der Politik oder versuchte sich als Handyverkäufer. Auch in unserer Redaktion verrichteten einige Opels noch ihre Arbeit, packten mittags ihre Versper aus und machten pünktlich Feierabend. Man nahm sie kaum noch wahr. Jetzt zeichnet sich ein Umschwung ab. Der Wertewandel in der Gesellschaft, die bevorstehende Einführung des Sozialismus mit menschlichem Antlitz begünstigt die Nehmerqualitäten des klassischen Opels. Machtmenschen, die zuvor einen Opel nicht einmal ignoriert hätten, suchen das Gespräch mit ihm. Frauen rücken in der U-Bahn eng an die einst belächelten Aussenseiter und streicheln sie verstohlen, in Restaurants bekommt ein Opel den besten Tisch. Das alles zeigt: Wir nähern uns den alten Werten. Und wer morgens in den Spiegel blickt un den Blitz auf der Stirn sieht, denkt sich: Die Zukunft hat wieder ein Gesicht.
 

 

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