Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (15. März 2009)
 

   Es gibt Tage, die passen einfach nicht hinein. Nicht in den Kopf, nicht in diese Glosse und auch nicht in den Bauch. Die DInge dieser Woche? Irrationale Undinge, unbeschreibbar, unverdaulich. Als hätte man einen Seeigel verschluckt. Doch wie konnte es bloss dazu kommen?

   Zunächst war da dieser Typ in einem altersschwachen haselnussbraunen Opel Kadett. Nürnberger Kennzeichen. Der trödelte, hielt den Verkehr auf, baute beinahe einen Unfall. Knapp wars. Aber: Schwamm drüber. Ist halt ein Opel-Freund, die haben grad sowieso keine Peilung. Und während einem noch im Radio die Systemkrise den Morgenstau versaut, blickt man auf das Hinterteil dieses unschlüssigen Franken und entdeckt ein zweites, faustgrosses, aufgeklebtes Länderkennzeichen mit den Buchstaben "BH". Ist das ein Patriot aus Bosnien und Herzegowina oder Bhutan? Oder gibt es schon wieder einen neuen Staat irgendwo hinter den Karpaten? Eigentlich nicht. Ausserdem hat Bosnien und Herzegowina ein "BIH" als Zeichen. Und warum sitzt ausgerechnet in einem braunen Opel eine junge Glatze am Steuer? Nun, weil "BH" die Abkürzung für Blood and Honour ist. Für Blut und Ehre.



   Später im Büro. Der Dax belauert wieder die 4000er-Marke, er fällt nicht mehr und jemand namens Analyst glaubt zu verstehen, warum das jetzt, an irgendeinem Tag im Gänsehautmärz 2009, im Jahr der bitteren Wahrheiten, so und nicht anders ist. Immerhin ahnt man, weshalb manche Menschen in der Vergangenheit lieber keinen Opel mehr gekauft haben. Es gibt einfach zu viele Prolls und Neonazis in diesem Land, die das Image dieser Marke unrettbar ruiniert haben. Dann dringt die Nachricht aus Winnenden an die sinnlose Oberfläche. Bilder der Verzeiflung. Panik in feuchten Augen. Wie konnte es bloss dazu kommen?

   In der Küche warten noch die aufgereihten Häppchen vom Ausstand einer sehr netten Kollegin, die überraschend gekündigt hat. Weshalb nur? Ihr Platz ist leer. Dafür ein bisschen Wurst und Weissbrot. Was von einem Arbeitsleben halt so übrig bleibt.

   Abends zu Hause. Ungläubiges Herumzappen. Fernsehreporter halten Nachbarn des Amoksläufers Mikrofone in die Gesichter. Fleissig seien diue Eltern gewesen, sauber, unauffällig. Der Vater? "Schaffig" sagt eine ältere Frau. Auf BBC wird der volle Name des Mörders gezeigt. Wozu? Schaffig. Als würde so ein Wort irgendetwas erklären können. Oder verhindern. Wahrscheinlich gibt es blad eine neue Variante von "Wer wird Millionär" auf RTL: Günter Jauch stellt vier Antworten und wartet au die Frage. Schliesslich ein Gespräch, es geht um den besten Freund. Er, mein bewusst lebender, kluger Telefon-Joker, hatte eine Operation. Die Diagnose: Krebs. Warum eigentlich er?

   Diese Woche war wieder so eine, in der man seinen WItz sucht wie einen verlorenen Schlüssel. Jeder Tag endet mit der besagten Frage, und als Antwort bekommt man eine verschlossene Tür, dahinter das unerklärliche Grauen. Da hilft kein Rütteln und kein Glosseschreiben mehr. Höchstens der lakonische Trost eines anderen. Wie fragte doch Woody Allen (siehe Bild) einmal: "Alles in allem würde ich Ihnen gerne eine positive Botschaft mit auf den Weg geben - ich habe aber keine. Würden Sie eventuell auch zwei negative nehmen?"
 

 

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