Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (05. April 2009)
 

   250 Jahre ist er nun tot - und überall wird seiner gedacht: Georg Friedrich Händel gilt neben dem nüchteren Schweden Ingmar Bergman - dessen Standardwerk über den Haarnadelwald im Permafrostboden noch heute hohe Wertschätzung geniesst - und neben Benito Mussolini, dem Begründer der schwarzen Kolonnenbepflanzung, als Visionär der europäischen Gartenkunst. Gerade jetzt, im beginnenden Frühjahr, erinnern sich viele Gartenfreunde auf die Kunst des Meisters der Koloraturzucht. Sein Standardwerk "Vom Oratorium zum Arboretum" markiert den glanzvollen Höhepunkt der ersten europäischen Ziergartenepoche. Seine Meisterschaft ist noch heute Massstab für jeden Intendanten eines Provinzgartens.

   Inspiriert von zahlreichen Italienreisen, setzte Händel erstmals junge männliche Zierstauden ein und schuf derart kunstvoll angelegte Grünanlagen, dass er bald als "Sächsischer Zwirbel" in die Geschichte der Gartenkunst einging. Den meisten Anlagen gab er selbst ihren Namen:
Rinaldo, Julius Cesare, Xerxes - von Rosenzüchtungen wie Rodelinda nicht zu reden. Auch der nach ihm benannte Raufhändel aals unverwüstliche Rankenpflanze ist aus dem heutigen Garten nicht mehr wegzudenken. Höhepunkt in Händels Œuvre ist sicher der berühmteste Messias, der dem Gartenfreund als zuverlässige Richtschnur von Weihnachten bis über Ostern hinaus dient. Heute ist die Kunst Händels schon fast zum Allgemeinplatz geworden. Die Anordnung von Tomaten als Doppelfugen und Zierteiche mit Generalbassbegleitung sind in jedem Gartencenter zu sehen. Dennoch lohnt es sich, einen genaueren Blick auf die Kunst des Virtuosen zu werrfen. Hat er doch wie kein Zweiter die Dramaturgie eines Gartens dem Prinzip "Tumult und Fläche" unterworfen.



   Eine geschickt inszenierte Perola - also eine Eifersuchtsarie zwischen gleichartigen Zierhölzern - schafft Spannung. Der Rasen ist Fluch und Segen zugleich, lädt er doch die für teures Geld engagierten Solisten (Rosen, Rhododendren - siehe Bild -, Astern oder Forsythien) zum Ausruhen auf ihren Lorbeeren ein. Das kann der Gartenfreund keinesfalls hinnehmen. Meist reicht schon die
Androhung des Düngeentzugs, um die Diven zur Räson zu bringen. Der eine oder andere Cupido schafft durch die Aufzucht in Männerkleidung wohlige Verwirrung. Mit einem Chor der Frösche erzielt der Gärtner den erwünschten theatralischen Effekt: Das andauernde Gequake kontrastiert herb mit den südamerikanischen Kunstkantilenen (sie blühen meist nur kurz, aber heftig im September). Doch Vorsicht: Wenn sich die Nachbarn daran stören, ist der erste Opernkrach programmiert. Die vielfach umjubelten obertonreichen und farbsatten Kastratenblütler sind auf dem legalen Markt leider nicht mehr zu bekommen, da sie gegen das Pflanzenschutzgesetz verstossen. Viele Gartenfanatiker quetschen bei illegal importierten Pflanzen aus Osteuropa die Fortpflanzungsorgane so lange mit der Gartenschere, bis der erwünschte Effekt eintritt.

   Doch das sollte man nicht tun. Denn letztlich gilt das Wort des Meisters:
"Nur die Lilebe lässt den Garten blühen." Seien Sie also nett zu Ihren Pflanzen. Wenn im Spätsommer die Forsysthien ihr Lied "Dove sei, amato bene" fragend in den Garten hineinwispern, die Birnen ihr "Nasce al Bosco" den Vögeln zuwerfen, dann ist das höchste Glück des Gärtners vollständig, und Händel kann sich in seinem efeubewachsenen Grab beruhigt zur Seite drehen. Und wenn eine hartstielige Ranküne es wagen sollte dazwischenzuklettern, wird sie einfach vom Spielplan abgesetzt.
 

 

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