Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (19. April 2009)
 

   Wir schreiben das Jahr 2034: Ein stämmiger Mann geht prüfend durch ein Feld mit wogendem Korn. Alles sieht gut aus. Kein Halm weicht um mehr als einen Millimeter im Wachstum von den anderen ab. Und doch war es ein steiniger Weg bis zu dieser Harmonie. Vor 30 Jahren Jahren vegetierten die Bauern noch in verschmutzten Höfen vor sich hin. Sie waren vom Wetter abhängig, benutzten schwerfällige Traktoren, bei denen man regelmässig das Öl wechseln musste. Doch so um das Jahr 2009 herum wurden entscheidende Weichen gestellt. Zunächst verboten populistische Politiker, angetrieben von einer Mischung aus Sozialromatik, Antimodernismus und wahltaktischem Kalkül, Genmais auszubringen. Genmais! Ein aus heutiger Sicht geradezu stümperhaft zusammengeklontes Massengetreide. Ausgestattet mit einem Zusatzgen sollte der Mais seine Schädlinge ausrotten.

   Doch dann erwischte die Wirtschaftskrise mit voller Wucht den alten Kontinent.
Billige Lebensmittel mussten her. Vor dem Kanzleramt rotteten sich Hungernde zusammen, Mundraub war als Strafdelikt fast so häufig wie der illegale Download. In einem Produktionsfeuerwerk brachte die Agrarindustrie Produkte zur Behebung der der grössten Not auf den Markt: Die legendäre Vierfruchtpalme, die heute unter Naturschutz steht, der Maiszündler, der sich selbst toastete, das Gerstenkraftkorn, das sich unter dem Einfluss von Gammastrahlen zu einem erfreulich geschmacksneutralen Brotlaib aufblähte, der von der Politik unters Volk geworfen wurde und bis zur nächsten Wahl haltbar war.



   Und heute? Die Kritiker sind verstummt, ist doch der Fortschritt mit Händen zu greifen (siehe Bild). Der Mann streichelt eine allwettertaugliche Maniokstaude, die sechsmal im Jahr Fleischflechten und Zichorien abwirft, aus denen Insulin tropft wie aus einem Wasserhahn. Sie wirft ihm mit ihren Blättern Kusshände zu.
"Fühlt sich pudelwohl, das Luder", denkt er, "ein Glück, dass sie noch nicht sprechen kann." Doch in den Labors ruht die Arbeit nicht: Weizenähren, die sich selbst zu Brot verabreiten, einpacken und auf den Markt schleudern, sind fast serienreif. Milcheuter können endlich ohne Kuh kultiviert und zwölfmal am Tag geleert werden. Kokospalmen brüten unter ihren Blättern Kürbisse mit Erdbeergeschmack aus, Fenchel-Möhren werden aus dem Internet heruntergeladen und enthalten faustgrosse Vitamine.

   Auch die Urlaubsregelung ist auf gutem Wege. Die meisten Pflanzen erhalten 30 Tage im Jahr, an denen sie sich in kontrolliertem Anbau vergnügen können. "Gab ja immer wieder Stress, weil sich die Biester nicht austoben konnten", erinnert sich der Mann. Vor allem die Reisenkohlrüben wurden übellaunig, frassen Kühe auf und verwüsteten einige Labors. Rasch mussten Abwehrpflanzen gezüchtet werden:
Explosivbirnen und absolut tödliche Stachelbeeren. "Danach war Ruhe", schmunzelt der Mann. Vor ihm schnellen einige rasch wachsende Bambusstauden aus dem Boden. Er gibt ihnen zerstreut die Hand und blickt auf zu den vier Sonnen, von denen zwei auf- und zwei untergehen. Wird eine gute Ernte.
 

 

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