Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (03. Mail 2009)
 

   Nur schlechte Nachrichten: Die Wirtschaft am Boden, die Grippe im Antröpfeln, der April zu warm und auf jedem freien Stück Land zwischen Holzwickede und Geiselgasteig graben hohlwangige Leiharbeiter im Morgengrauen Spargel (siehe Bild) aus eilig aufgeschütteten Sandhügeln irgendeines Existenzgründerprogramms. Tonnenweise weisse Stangen verstopfen die Märkte. Spargel, einst teure Delikatesse, wird jetzt sogar schon in Kantinen verramscht, eingewickelt in pappige Pfannkuchen mit zuviel Cholesterin und garniert mit einer Gen-Erdbeere aus Chile. Im Discounter gibt es dazu räsen "Spargelwein" für 1,99 aus Ländern, die keinen Spargel kennen, fettige Sauce Hollandaise im Pappkarton und vor etlichen Jahren eingeschweissten Anabolika-Vorderschinken aus italienischer Grossmast. Bäh. Bäh. Bäh.

   In solchen schweren Zeiten erinnerte sich die Belegschaft unserer Redaktion an vergangene Epochen, als es im Blatt noch der Resort "Heile Welt und Monarchie" gab und jede Woche zwölf positive, heitere, optimistische Geschichten im Blatt zu stehen hatten. Trollige Hundebabys, die Zimmerpflanzen ausbuddelten und ein Bächle in die Küche machen, das Porträt einer Frau, die neun Kindern von zwölf Männern das Leben schenkt und ohne Urlaub glücklich ist, Seniorentanzgruppen, die in Tibet mmit nackten Füssen Yak-Butter für einen guten Zweck stampfen - lauter schöne Themen.



   Nach längerem Suchen fand sich im dritten Stock des Redaktionsareals ein älterer Kollege, der noch wusste, dass die Redaktion "Heile Welt und Monarchie" vor 19 Jahren in eine Gewölbe im Ostflügel ausgelagert wurde. Wir wurden fündig und entdeckten drei etwas ungepflegte Männer in schwarzen Jeans, fadenscheinigen Lacoste-Polos und Jesussandalen, dazu eine Frau in einer schwarzen Nietenlederhose mit toupierten Haaren. Alle rauchten und beugten sich hustend über einen Nadeldrucker, der Agenturtexte ausspuckte. Manchmal machten sie sich Notizen, grummelten, dann warfen sie die Papiere in einen Schredder. Das Quartett zuckte auf unsere Ansprache erst ein wenig zurück, erklärte sich dann aber bereit, sich Gedanken über positive Geschichten im Monat Mai zu machen. "Geben Sie uns ein wenig Zeit", erklärte ein Kollege, "es ist schon länger her, dass unsere Arbeit gefragt war."

   Drei Tage später erschienen die Kollegen zur Konferenz. Sie trugen grosse Sonnenbrillen, weil sie das Helle einer modernen Redaktion mit Fenstern blendete und zündeten sich ungefragt ihre filterlosen Zigaretten an. Postive Geschichten hatten sie auch mitgebracht. Für die kommende Ausgabe könnte man das Porträt eines Frankfurter Bankers drucken, der seine Bonuszahlung komplett in ein Golfhotel im Tessin investiert hat, das ausschliesslich deutsche Arbeitslose auf Ein-Euro-Basis beschäftigt. Heiter und postitiv könnte man auch über den FC Bayern berichten, der Rentner neuerdings nicht nur als Parkplatzwächter, sondern auch als Cheftrainer einstellt.

   Die touperte Frau regte eine hausinterne Talentschau an, bei der nur schiefzähnige oder dicke Menschen teilnehmen dürfen, der Sieger würde auf jeden Fall symphatisch als einer aus dem normalen Leben rüberkommen, sagte sie. Oder eine Story über die Kompressionsstrümpfe von Königin Elisabeth. Die Redaktion schweigt, weil das nun wirklich keinen umhaut. "Spargel", hustet plötzlich einer, "das ist es. Einst nur für Gutverdiener, jetzt für alle."

   Es ist einfach nicht die Zeit für gute Nachrichten. Leider.
 

 

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