Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (17. Mail 2009)
 

   Endlich. Diese Woche ist das Geheimnis der Schönheit nunmehr gelüftet worden. Jahrtausendelang haben wir körperfixierten Menschen diesen abstrakten und äusserst missverständlichen Begriff gezupft, gepeelt, geritzt, gerupft, gespritzt, gepolstert, geschnitten, gesaugt und gelasert, bis von ihm nicht mehr übrig blieb als ein geschunderner Wortleib. Täglich waren wir einem medialen Trommelfeuer von vermeintlichen Schönheitsidealen ausgesetzt, trugen in unserer Verwirrung Tellerlippen, banden uns die hornhäutigen Lotosfüsse ab öder föhnten vergeblich die Haare kunstvoll geometrisch nach Art von Claudia Roth. Bis heute behaupten manche (arme Hässliche, reiche Waldorfschüler, superreiche Gastroenterologen) steif und fest, wahre Schönheit komme von innen, während die anderen das Schöne und Erhabene weiter draussen vermuteten: Im Himmel ... oder in den aktuellen Steuersenkungsutopien der CDU. Doch damit hat es nun ein Ende.

   Denn am vergangenen Mittwoch präsentierte uns irgendso ein wahnsinnig berühmter Archäologieprofessor ("Nature and Science", "The Flintstones"), auf einer Pressekonferenz voller Verzückung die "Venus von der Alb" (siehe Bild, ganz rechts). Emsige Forscher haben selbige in einer finsteren Neubauhöhle im Speckgürtel von Tübingen nach zehnminütiger Suche neben einer Knochenflöte und einer voluminösen Chipstüte (Cheese & Onion) gefunden. Über die Gründe, weshalb sich am Fundort auch ein eingeschalteter 40-Zoll-Flachbildschirm, eine zerknitterte Tageszeitung sowie eine surrende Tischkreissäge befunden haben, kann nur spekuliert werden.



   Experten schätzen das Alter der elfenhaften Frauendarstellung auf 52 oder vielleicht auch 35 000 Jahre bzw. 137 Kilogramm. Die schädellose, aus Mammutfeinripp geschnitzte Schwäbinnendarstellung reiht sich ein in eine ganze Reihe von sogenannten Sumo-Venusfigurinen, die in spätkapitalistischen Jungpaläolithikum üblich waren. Auffällig, so der berühmte Professor, seien die überdimensionierten Brüste. Die Figur sei ausgezeichnet und bis auf das linke Achselhaarbüschel vollständig erhalten. Des Weiteren verfügt diese archäologische Sensation aus dem Alb-Donau-Kreis über ausgeprägte Geschlechtsmerkmale, wobei die extreme Betonung der merkwürdig versetzten Vulva ins Auge sticht, während die stummelartigen Arme und Beine verkümmert ausgearbeitet scheinen. Es handelt sich mit grosser Sicherheit um einen künstlerischen Ausdruck von Fruchtbarkeit, hiess es. Kurzum: Die Venus von der Alb ist einfach nur - wunderschön.

   Umso schlimmer also, dass sich zu der Abbildung der ephemeren Albschönheit ein Foto von Reiner Calmund gesellt hat (siehe Bild, ganz links), was offensichtlich ein unverzeihlicher technischer Fauxpas ist. Der Ex-Manager von Bayer-Leverkusen und Top-Model ("Venus von Leverkusen") hat nämlich in dieser Woche für seine Diät den Health Media Award überreciht bekommen: 29 Kilogramm in acht Monaten auf nun 137,5 Kilogramm! Die "BILD"-Zeitung berichtete, wer sonst. Aber wen interessiert das überhaupt noch? Ist es doch nur ein Ausdruck eines frauenverachtenden Schönheitswahns vergangener Tage.
 

 

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