Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (07. Juni 2009)
 

   Alle Augen ruhen auf dem jungen, alert-sympatischen, immer beherrscht sachkundig auftretenden, dem klassischen Wertekanon der Ordnungspolitik und einem sowohl Moderne wie Tradition vereinenden Gesellschaftsbild verpflichteten, fränkisch-bodenständigen, dabei auch global sicher und weltmännisch auftretenden, im Massanzug genauso wwie im Trachtenjanker heimischen Baron im Wirtschaftsministerium. Doch wie sieht es hinter der Fassade aus?

   Exclusiv für unsere Redaktion hat der junge Baron einige seiner jüngsten Gemütszustände schriftlich festgehalten. Wir zitieren: "Heute Nacht kaum geschlafen. Die ersten 34 Kappitel im Handbuch des Insolvenzrechts durchgeackert. Labyrinthische Gedankenngänge. Ich setze eine meiner besonders ordnungspolitischen Frisuren auf und wasche meine Hände kurz in Unschuld. Mein Anzug, der die ganze Zeit auf mich gewartet hat, begrüsst mich freundlich. Muss den Bauch einziehen. Zu viel schlechtes Geld in mich hineingefressen.

   Die ganze Nacht wieder von einer Bad Bank geträumt. Entsetzlich! Ich komme zur Eingangstreppe und nehme wie immer drei Stufen auf einmal. Eine virile Dynamik strömt von mir aus. Drei Stufen, dann wieder drei, und wieder und wieder. Doch die Treppe nimmt kein Ende. Ich renne und renne, dann öffnet sich unversehens der Schlund zum Handelsraum - ein schauerlicher Gestank nach faulen Krediten steigt hoch. Ich will umkehren, zurück zu den alten Prinzipien der Finanzpolitik, doch es geht nicht. Die Stufen hinter mir lösen sich auf. Schnell werfe ich einen grossen Geldkoffer ins Dunkle Er verschwindet. Ein zweiter auch, dann ein dritter. Sie wollen dich ganz, schuiesst es mir durch den Kopf. Sie wollen, dass ich springe. Aber ich will nicht. Doch von hinten schiebt die SPD, und ganz unten feuert mich die Kanzlerin an: Spring endlich! Wäre ich doch ein einfacher Baron geblieben! Ich springe. Kurz vor dem Eintauchen erwache ich.

   Ich schwitze vor Angst wie ein Opel-Arbeiter. Doch draussen ist es nicht besser. Kaum zwinge ich mich, in der Parlamentskantine einen Salat mit Putenbruststreifen zu essen, strecken sich mir die gierigen Arme einer zwischen den Salatblättern versteckten Insolvenz entgegen. In den Geschäften Ausverkaufsstimmung. Ein Handyverkäufer stimmt einen monotonen Klagegesang an. Er dauert mich. Ich spanne meinen letzten Rettungsschirm auf, doch der Regen läuft durch ihn hindurch, als wäre er aus Seidenpapier. Der Verkäufer weint und wischt sich mit meiner Krawatte die Nase ab.



   An der nächsten Ecke steht der dicke Peer. Ständig passt er mich ab, um mir das letzte Geld abzupressen. Ich will an ihm vorbei, doch er drückt mich gegen die Wand. So dicht, dass ich seinen Atem riechen kann. Der Kerl gibt keine Ruhe. Ich gebe ihm alles. Er lacht schäbig (siehe Bild) und flüstert: 'Bis morgen'.

   Mitternacht. Habe jetzt genug. Irgendwie ist eine Pleite ja garnicht so schlimm. Man hat Ruhe. Endlich. Sollen die anderen den Karren aus dem Dreck ziehen. Gleich morgen früh setze ich mich hin. Und schreibe eine Presseerklärung: ... habe mich entschlossen, meinem ordnungspolitischen Credo zu folgen und Privatinsolvenz anzumelden. Lege hiermit alles auf den Tisch. Rechnungen und so. Und dann abends heim in mein Schloss. Haltet die Ohren steif, euer Baron."
 

 

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