Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (14. Juni 2009)
 
Ausgeschlafen
 

   Ungestörter Schlaf ist wichtig. Das mag der Grund dafür sein, dass Eisenbahnschienen in einem Gleisbett verlegt werden.

   Nach dieser heiteren und nachdenkenswerten Einleitung wäre es ein Leichtes für mich, eine politische Diskussion anzuzetteln und zu Stuttgart 21 überzuleiten. Aber ich bin ausgeschlafen genug, um zu wissen, dass dies nicht mein Thema ist. Ich will keine Kommunalwahl, sondern nur Ihre werte Aufmerksamkeit gewinnen.

   Menschen, die eine kreative Arbeit verrichten, können nicht ausgeschlafen genug sein, haben Wissenschaftler der University of California in San Diego herausgefunden. Schon ein kurzes Nickerchen beflügelt den Geist. Mir ist wichtig zu sagen, dass diese Erkenntnis ddurch Menschenversuche zustande kam. Als engagierter Kröten-über-die-Strasse-Helfer achte ich streng darauf, dass an dieser Stelle nur noch wissenschaftliche Arbeiten zitiert werden, bei denen keine Tiere beteiligt waren.

   Selten hat mich das Ergebnis einer Forschungsarbeit mehr beeinflusst als in diesem Fall. Im Laufe der Woche habe ich meinen angestammten Arbeitsplatz geräumt und bin in einen Schlafwagen der Deutschen Bahn übergesiedelt. So ein Schlafwagenarbeitsplatz ist wie gemacht für ein kreatives Nickerchen zwischendurch und laut Bahn-Reklame ideal für ausgeschlafene Zeitgenossen.

   Mein neuer Arbeitsplatz erlaubt es mir ausserdem, schonungslos mit meiner schreiberischen Vergangenheit abzurechnen. Natürlich habe ich im Lauf der Jahre auch Texte fabriziert, die unter einem gewissen Schlafdefizit gelitten haben. Eine Tatsache, die mir jedoch keine schlaflosen Tage bereiten wird. Leser, denen beim Lesen eines Artikels die Augen zufallen, müssen dem Autor im Grunde dankbar dafür sein. Auch ein Schlummer bei der Zeitungslektüre ist der Kreativität förderlich.

   Ich weiss nicht, ob es Ihnen aufgefallen ist: Zwischen den ersten und dem letzten Satz dieser Kolumne liegen einige Stunden Schlaf. Ich finde, das merkt man.
  

 

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