Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (21. Juni 2009)
 
Augenzeugen
 

   Es war in jener Woche, in der die Weltöffentlichkeit Zeugin wude, wie ein bis dato friedfertiger US-Bürger vor laufenden Fernsehkameras eine hilflose Kreatur meuchelte. Der Täter ein Mann, von dem man behauptet hätte, dass er keiner Fliege etwas zuleide tun könne. Aber eben dies tat er: Kühl, berechnend, ohne mit der Wimper zu zucken, auf einen Streich. Betrachtet man die Fallhöhe des Killers, immerhin ist Barack Obama amerikanischer Präsident, wurden wir Zeuge eines Staatsstreichs.

   Anstatt Reue zu zeigen, brüstete sich Obama - auf einem Stuhl sitzend, ein Bein über das andere geschlagen - auch noch mit der Schandtat. "I got the sucker", sagte er grinsend: "Ich habe das Biest erwischt." Zu diesem Zeitpunkt war das Lebenslicht des armen, sich im Schein der Fernsehscheinwerfer krümmenden Tieres schon fast erloschen. Für herbeigeeilte Rettungskräfte hätte es nichts mehr zu retten gegeben. Sie hätten nur noch den ebenfalls herbeigeeilten Polizeireportern in ihre Notizblöcke diktieren können: "Am Tatort bot sich ein Bild des Grauens."

   Da schon manche Äusserung eines US-Präsidenten zum geflügelten Wort wurde, ist auch hier das letzte Wort noch nicht gesprochen. Würde mich nicht wundern, wenn ein brutalstmögliches Ballerspiel auf den Markt käme. "I got the sucker" für geschlagene 50 Dollar.

   Just in jener Woche also, als die Weltöffentlichkeit dies mit ansehen musste, war eine E-Mail in meinem elektronischen Postfach gelandet, deren Tragweite ich erst Tage später begreifen sollte. In der E-Mail wurden alle Mitarbeiter meiner Zeitung erinnert, dass ein Arzt wegen einer Augenuntersuchung im Hause sei.

   Es trieb mir Tränen der Rührung in die Augen, als ich von dem Termin erfuhr. Es ist ein gutes Gefühl, wenn man von seinem Arbeitsgeber wie ein Sohn behandelt wird. Leider hab' ich den Termin versäumt. Ich hab' erst hinterher davon erfahren, von Kollegen. Die E-Mail war sehr klein geschrieben. Ich konnte sie nicht lesen.
  

 

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