Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (02. August 2009)
 

   Urlaubszeit, endlich. Die Städte leeren sich, nur noch einzelne Bundesminister arbeiten schwer an der Costa Blanca und werden dafür auch noch angemistet, nur weil das Autochen für ein paar Tage verschwindet. Typisch deutscher Kleingeist, man braucht sich nicht zu wundern, wenn es hier langsam bergab geht. Moderne Menschen verknüpfen nunmal Urlaub mit Arbeit, rasten nie, produzieren ständig, schaffen Ideen, Märkte, Sensationen.

   Im Tourismus ist es jetzt schon so weit, dass nichht wir das Geld an irgendeiner Costa verbraten, sondern sich das Ausland in Good Germany erholt. Wegen der Kultur, dem Weissbier, Neuschwanstein, Heike Makatsch und dem Schwarzwald, sagt man. Unsere Redaktion "Reis und Bett" hat Berichte über touristische Übergriffe in Deutschland gesammelt. Eine erschütternde Dokumentaion.

   Im nahen Baden-Baden wurden kahl geschorene Ölhändler aus Osteuropa beobachtet, die Kaugummi, Wodka und Zigaretten unter badischen Kleinkindern verteilten, während sich ihre blondierten Gattinnen in einer Privatklinik im Nordschwarzwald vergoldete Brustimplantate einbauen liesse. In Bayern musste das Schloss Neuschwanstein einige Tage geschlossen werden, weil sich im Thronsaal 14 200 Japaner heillos ineinander verkeilt hatten. Manchen drohte im Blitzlichtgewitter die elektronische Selbstentzündung, zwei sollen sogar lachend in vier Meter hohen Lüster geschaukelt haben.



   Umtriebe gab es auch an der Ostsee, weil Tauchtouristen aus Sri Lanka im grünlich-seichten Wasser südlich von Heiligenhafen vergeblich nach der "Koralle des Nordens" suchten. Die Gäste wussten nicht, dass dies ein Kräuterlikör aus südskandinavischem Sumpfleberwurzeln ist, der im Abgang kratzt, deshalb Koralle. Die Kurverwaltung verteilte zum Trost Freikarten für das Meeresaquarium in Fehmarn, wo allerdings ein Tourist ins Becken sprang und einen sehr seltenen Leopardenhai (siehe Bild) harpunieren wollte.

   Deutschland als Touristenland bietet aber auch ganz neue Beschäftigungsmöglichkeiten für gefeuerte Mitelschichtler. Frei gewordene Mitarbeiter aus der Automobilbranche gründen zurzeit im Süden ein Werk für zeitgenössische Bollenhüte, die aus gepressten Abwrackautos gefräst werden. Versprengte Journalistengruppen führen
algerische Naturtouristen durchs Lautertal und lesen nachts am Lagerfeuer in perfektem Französisch aus ihren besten Artikeln vor. Entlassene IT-Spezialisten erfanden ein blinkendes Computerspiel (Super-Seppl 1) für spanische Kinder, in denen ein Lederhosenträger mit Bierkrügen nach arglosen Menschen wirft. Am Ende ertrinkt der wütende Bayer in billigen andalusischem Brandy.

   Weniger qualifizierte Krisenopfer eröffnen ein typisch deutsches Restaurant (Schnitzel-Haus, Schnitzel-Fabrik, Schnitzel-Schnitzel) mit panierter Pappe für die Amis. Das wird ein schöner Sommer werden.
 

 

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