Schwindel! Ersch�pfung!
Kontrollverlust, konvulsives Zucken. Immer wieder diese Mauer
(siehe Bild), s�chselndes Genuschel unter Tr�nen, Windjacken,
Sekt, Feuerwerk, Fetzen der Nationalhymne. Schluss. Wir k�nnen
nicht mehr. Und doch - die Pflicht der Medien ist es, auch die
allerletzten Zeitzeugen des Mauerfalls zu Wort kommen zu lassen,
ob sie nun dabei waren oder nicht. Wir unterwerfen uns dieser
Pflicht und tauchen ein in die Abgr�nde der Oral History. Doch
h�ren Sie selbst:
Umberto Eco:
Jetzt bitte keine Hektik. Nat�rlich muss die Mauer wieder aufgebaut
werden, aber bitte unter Ber�cksichtigung kunsthistorischer
Erfordernisse. Wir haben es mit einem �usserst fragilen Bauwerk
der zweiten sp�tsozialistischen Fertigbetonepoche zu tun.
Allein die Fresken im Abschnitt Probstzella/Sonneberg zu restaurieren,
d�rfte Jahrzehnte dauern. In jedem Fall gilt: Die Mauer entspricht
in seltener Reinheit meinem Konzept von Offenheit als Chiffre
f�r die Beteiligung des Rezipienten an der Generierung des Kunstwerks.
Das ist die zentrale �sthetische Kategorie der modernen Kunst.
Es ist doch so: Moderne Kunstwerke transportieren keinen eindeutigen
Sinn, der vom Rezipienten lediglich passiv aufgenommen wird,
sondern ... Langweile ich Sie?
Joop:
In meinem Fernseher aus mundgeblasenen Muranoglas sah ich ddie
Ereignisse. Die marmorierten Jeans der Ostler haben mich
so deprimiert, dass ich einen Gallenstein bekam. Er kann im
Z�richer Museum f�r Gestaltung besichtigt werden.
 G�nther
�ttinger: Ich hatte eine Sitzung bei meiner Logop�din. Als
ich geh�rt habe, wie langsam die Ossis sprechen, wusste
ich: Die Einheit wird uns allen im Halse stecken bleiben.
Harald Wohlfahrt: Ich applizierte gerade
eine Demi Glace an einem Dialog aus frisch aufgeschlagenen Wachtelhoden,
da fiel mir vor Schreck die f�r den als Nachtisch vorgesehene
geschmorte s�dafrikanische Tafelbirne aus der Hand. Was haben
diese Ostdeutschen all die Jahre nur in sich reingefressen!
Sofort nach dem Fall der Mauer nahm ich Lachs-Todesstreifen
auf die Karte und stellte sogar einen s�chsischen Azubi ein,
der sich aber als faule Riesenbockwurst erwies.
Roland
Emmerich: Jetzt kann ich's ja sagen: Zum 40. Jubil�um jagen
wir das Ding in die Luft. Arbeitstitel: Hard broiled Armageddon.
Wird eine Heidenarbeit, alles im Osten noch mal mausgrau anzustreichen.
Die Handlung: Aus dem streng abgesicherten Labor f�r den
modernen Sozialismus ergiesst sich durch eine Panne in der
Abschirmung ein Strom von Mutanten in den Rest der Welt, der
alles Leben erstickt. Wird es dem arbeitslosen Gas-Wasser-Installateur
Gottfried gelingen, die Erdkrustenverschiebung mit einer kontrollierten
nuklearen ... und so weiter.
Josef
Stalin: Habe mich dreimal im Grab rumgedreht, als ich diese
sch�bigen Konterrevolution�re sah. Aber t�uscht euch
nicht - ich kann warten ...
Johannes
Heesters: Ich erinnere mich genau an den 9. November. WIr
feierten meinen 105. Geburtstag - oder war's der 88ste? Ich
bekam davon nichts mit, weil mein H�rger�t in die Suppe gefallen
war. Dann sah ich die Schlange vor der Bornholmer Br�cke
und sagte zu Simone: Da m�ssen wir hin! Sie ging dann auch bis
zum Gartentor mit. Was dann passierte, habe ich vergessen. Aber
sch�n war's doch - wenn das der F�hrer noch erlebt h�tte!
Helmut
Schmidt: Habe Honecker schon vor 20 Jahren alles vorausgesagt
und ihm geraten, als Dachdecker keine Mauern zu bauen. H�tte
er mal auf mich geh�rt. Apropos: Kann man aus den entv�lkerten
Regionen im Osten jetzt nicht Raucherzonen machen?
Horst-Eberhard
Richter: Mauern sind immer Merkmale faschistischer Gef�gigkeitstendenzen.
Wenn die dr�ben meine B�cher gelesen h�tten und alle Stasi-Leute
zu mir in die Familientherapie geschickt h�tten, w�re
Hohensch�nhausen ein Refugium des Lichts und der K�rperw�rme
geworden. Aber so ist es auch ganz sch�n.
Und?
F�hlen Sie sich ersch�pft, wackeln mit dem Kopf und haben Ohrensausen?
Sie meinen, es sei Zeit, dieses Kapitel der Geschichte
zu schliessen. Na gut. |