Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (17. Januar 2010)
 

   Es muss dieser Tage über einen längst verstorben geglaubten und Angst einflössenden Verwandten gesprochen werden: Nein, nicht Johannes Heesters, es ist der Neandertaler. Vor kurzem galt es noch als wissenschaftlich erwiesen, dass der Homo neanderthalensis vor ungefähr 30 bis 30 000 Jahren zum Ende des Mittelstandspaläolithikums dem modernen Menschen weichen musste. Über die wahren Gründe kann hier nur spekuliert werden. Es heisst, die intelligentere Spezies habe damals gesiegt.

   So begann die Jungsteinzeit. Und mit ihr der Aufstieg der Grünen, was Ausgrabungen von ranzigen Latzhosen und ungebrauchten Deorollern in luxuriös bestückten Weinkellern süddeutscher Professoren und Gemeinderäten beweisen. Seitdem wurde alles weicher, profilloser, glatt rasierter. Das Sozialverhalten änderte sich radikal. Auch die wilden Hinterbänkler in den einst barbarischen Unionsrudeln wurden bald nicht mehr von stiernackigen Alphatieren (Homo straussus, Homo erectus kohl) mittels Grunzlauten und sklavischer Stammwähler in Schach gehalten. Statt geschmackloser Vielweiberei und aggressivem Gegockele regierte nun der feinsinnige Diskurs, das politische Bonmot und ein präsidialer Führungsstil. Die kultischen Parteisitzungen waren geschwätziger als die Filme von Eric Rohmer.



   
Doch Anfang der Woche stürzten zwei Funde von gelochten und mit orangefarbigen Pigmente verzierte Muscheln im südöstlichen Spanien Archäologen in grosse Zweifel. Sie belegen, dass schon der Neandertaler Sinn für subtil erotische Symbolik und Intimschmuck hatte. Das Klischee vom Keulen schwingenden Primitivling hätte damit ausgedient.

   Allerdings würde das ebenso bedeuten, dass unser konserativer Zottelvorfahr vielleicht gar nie verschwunden ist, sondern weiterhin mit einer perfekten Tarnung unter uns lebt und all die liebgewonnenen linksliberalen Errungenschaften (Angelika Merkel, Weinkeller voller Chianti) bedroht. Vielleicht versucht er sich zu artikulieren und beisst gerade vor Wut in sein Smartphone, gröhlt vor Freude über das Ende der Bundesligapause, verschenkt Muscheln an unsere minderjährigen Töchter oder schreibt im Nachbarressort an einer vernichtenden Polemik gegen unsere arme Kanzlerin. Wer weiss.

   Tatsächlich gibt es Indizien für die Renaissance eines mutierten Neandertalers. Nicht nur an den spanischen Küsten und in der hessischen CDU, wo ja traditionell die Jagdgründe unserer flachstirnigen Urmenschen waren. Man denke da auch an die kriegerischen Homoniden Oliver Kahn (im Profil) oder Gregor Gysi (hinterrücks), die ihre Gegner einfach wegbrüllen. Und ein Kollege will etwa den borstigen Homo oetteringerus in Brüssel gesichtet haben, wie er "mehr Führung, mehr Führung" in Richtung Berlin krächzte, während er von kaltfingerigen EU-Zöllnern auf Vorzugsaktien von Eon und Vattenfall hin untersucht wurde.

   Deswegen, geneigte Leser, sollten Sie unbedingt achtgeben auf profilgeschädigte Glossen und Pigmente in Orange. Es könnte sich nämlich um um das Werk eines Neandertalers handeln.
 

 

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