Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (07. Februar 2010)
 

   Es muss an dieser Stelle über das beherrschende Feuilletonthema dieser Tage gesprochen werden: Der Film "Schwarz-gelbe Zeiten ändern dich". Inszeniert von von Uli Edel, erzählt er die Geschichte des skandalumwobenen Floskel-Rappers Buhguido (feat. Dr. Dre Westerwelle, siehe Bild). Zur Deutschlandpremiere im Kino am Reichstag kam der 48-jährige Unterschichtenschreck im schwarzen Anzug mit salamanderfarbender Krawatte. Nur mit Mühe konnten enthemmte Fans - orientierungslose Jungliberale und raffgierige Hoteliers - auf Abstand gehalten werden. Wen wundert es? Verkörpert Buhguido doch für diese KLientel den Traum von vom gesellschaftlichen Aufstieg: Vom Kleinbürgerlichen Gymnasiasten mit Migrationshintergrund (NRW) und kümmerlichen Afghanistan-Kenntnissen zum Starlobbyisten - das gelungene Portrait eines profillosen Parvenüs.

   In zahlreichen Sequenzen erinnert das Drama an Pasolinis tabuisiertes Meisterwerk "100 Tage Sodom und Gomorrha". Auch Edels Film ist nichts für Zartbesaitete: In schonungslosen Bildern wird eine Spirale aus Peinlichkeiten und Fehlstarts vorgeführt. Man hat das Gefühl, hier wird einer von der Mehrheit der Gesellschaft weggebuht. Buhguido rebelliert. Auf der Suche nach Respekt und einem Haufen Geld gerät der Outlaw auf die schiefe Bahn. Buhguido geht für den Mittelstand anschaffen. Trägt randlose Brillen. Schlägt Frauen aus. Chillt bis zum Morgengrauen auf Ausländerkonferenzen. Nimmt bewusstseinsverengende Drogen, die ihm sein opiatisch aussehender Kumpel, der abgebrochene Apothekerlehrling Phillip "Kasse" Rösler, beschafft und der mit einem vor sich hinstarrenden Moritz Bleibtreu ("Das Gelbe vom Ei") zum Wegwerfen gut besetzt ist. Bleibtreu kann die Aufregung um die als minderheitenfeindlich geltenden Songtexte des Rappers nicht nachvollziehen: "Wir müssen uns damit abfinden, dass die FDP ihre eigene Sprache inszeniert."



   Ein Leitmotiv im Film ist die unmögliche Versöhnung mit dem gewalttätigen Vater (Horst Seehofer). Auch Buhguidos Mutter, die von der Diva des deutschen Polittheaters Angela Merkel ("Die Unberührbare") mit viel Taft und Sanftmut gegeben wird, hat keine Zeit für den Jungen. Sie ist der Beschaffungskriminalität verfallen, dealt mit illegalen CDs und versteckt sich in Paris bei einem Frauenhelden. Doch Buhguido, der sich wie im echten Leben selbst doubelt, gibt nicht auf. Nachdem er eines Nachts mit einem geknackten Toyota Prius mit Vollgas seine grosse Liebe Uwe Ochsenknecht überfahren hat und hirnverletzt im Krankenhaus aufwacht, weiss er plötzlich, was er will: Noch mehr Geld. Er beginnt zu rappen, kleidet seine Wut in in subtil synkopierte Steuer- und Abgabemelodien ohne Zukunft - und verdient Millionen.

   Ein Stoff wie gemacht für den Produzenten Bernd Eichinger, den authentische Stories über deutsche Emporkömmlinge reizen. In "Schwarz-gelbe Zeiten ändern dich" gehe es, so Eichinger, um ein "Pop-Märchen": Um fallengelassene Menschen, die in Berliner Regierungsvierteln aufwachsen und trotzdem in unseren politischen Strukturen "so gut wie unsichtbar" seien. Bleibt zu hoffen, dass diesen wunderbaren Film nicht nur eingefleischte Feuilletonisten sehen. Freigegeben ab 18 Prozent.
 

 

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