Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (28. März 2010)
 

   Diese Woche an der Fleischtheke. Zwei Frauen im Disput: "Wenn ich diese Salamis so anschaue ... im historischen Vergleich gab es noch keine Gesellschaft, die über alle Milieus hinweg einen so ausgewogenen Fettgehalt hatte." Die andere: "Ach geh, die Gegenüberstellung von historischen Gesellschaften bringt in der Reduktion auf die Verfügbarkeit von Wurst gar nix. Hundert Gramm Wildschweinpastete, bitte." - "Trotzdem hat der generalisierende Vergleichsansatz Vorteile", so die andere, "nein, lassen Sie das Fett ruhig dran. Denn eine individualistische Betrachtung verbietet sich nach meiner Ansicht ..."

   Leider mussten wir an dieser Stelle des Gespräches zur Käsetheke vorrücken. Doch der Gesprächsfetzen zeigt:  Deutschland hat seine Spitzenposition in der historischen Vergleichswissenschaft behauptet. Zementiert wurde diese Führungsrolle durch den amtierenden Aussenminister, der die Epoche spätrömischer Dekadenz ins kollektive Gedächtnis zurückrief.

   Damals, man weiss es längst, lümmelten Kaiser und Konkubinen in fleckigen Trainingsanzügen herum, hetzten ihre Hunde auf die Kontrolleure des Sozialamts und verachteten alle Ansätze produktiver Arbeit, Damit nicht genug: Der Minister verglich seine eigene Auslandsreise mit der Entdeckung Brasiliens durch Pedro Álavares Cabral. An Bord waren damals wie heute alerte und sauber gekleidete junge Männer. Man vertrieb sich die Zeit an Bord mit Seilhüpfen auf den Köpfen von Rudersklaven und dem Networking, also der Fischerei.



   Ganz Deutschland überlegt jetzt fieberhaft, mit welchen historischen Vergleichen man die eigenen Verdienste einordnet. Finanzminister Schäuble: "Die Höhe unseres Schuldenbergs ist im historischen Vergleich neidrig, weil er uns nicht den Blick nach Griechenland versperrt. Hätte ich ein paar Salz- oder Silberminen wie die alten Kaiser, sähe die Welt ganz anders aus, und im Vergleich zu anderen grossen Pleitiers der Geschichte fällt mir gerade kein Name ein." Barbara Rosenkranz, österreichische Politikerin: "Immer diese Geschichtsdemut! Wo gehobelt wird, fallen Späne. Verglichen mit dem Dreissigjährigen Krieg war der Zweite Weltkrieg, also der Abwehrkampf gegen den Bolschewismus, doch eine Kaffeefahrt mit Gratis-Mehlspeisen. Und 1648 war Europa zerstört, während wir 1945 immerhin die Autobahn hatten!" Theo Zwanziger, DFB-Präsident: "Vergleiche mit der guten alten Zeit, also der Epoche, bevor die Homosexualität erfunden wurde, lehne ich ab. In unserem Archiv liegen noch Briefe herum, die so schmutzig sind, dass sie jahrelang in den Umkleidekabinen mitgeduscht werden mussten." Verteidigungsminister zu Guttenberg: "In aussichtslosen Situationen hilft immer der Vergleich mit der Geschichte. Der Alte Fritz hat nach der Schlacht von Kunersdorf auch nicht kapituliert. Ihm wurden drei Pferde unterm Hintern weggeschossen, mir nur ein General und ein Staatssekretär."

   Die Beispiele zeigen: Verglichen mit dem Wurstangebot einer deutschen Fleischtheke war der Gehalt des Vergleichs vergleichsweise noch nie so hoch.
 

 

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