Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (04. April 2010)
 

   Ich kann nichts schlechtes über Rheinländer sagen, weil: Ich bin von ihnen umzingelt. Die Armutszuwanderung nach Baden-Württemberg hat dazu geführt, dass ich als Einheimischer in der Redaktion in die Minderheit geraten bin. Da muss man sich integrieren und so tun, als interessiere man sich ernsthaft für die feinen Unterschiede zwischen Rheinland und Ruhrgebiet oder zwischen Komasaufen und Karneval.

   Dies hier wird man aber wohl noch sagen dürfen: Der Rheinländer hat mittlerweile Schlüsselpositionen in unserem Bundesland inne. Das Landesarbeitsgericht in Freiburg zum Beispiel hat einen Vorsitzenden Richter, der heisst Christoph Tillmann. Dieser Tage sagte Herr Tillmann: "Ich bin Rheinländer. Ich esse Frikadellen stets ohne Mantel." Was Herr Tillmann damit sagen wollte: Von Maultaschen versteht er nichts. Maultaschen sind für ihn Frikadellen mit Mantel. Und so einer hat hierzulande das letzte Wort, wenn eine Altenpflegerin sechs Maultaschen klaut und daraufhin entlassen wird. Der weiss den Wert einer Maultasche doch gar nicht einzuschätzen. Auf Vorschlag von Tillmann soll die Altenpflegerin jetzt übrigens 42 500 Euro Abfindung bekommen. Kleinere Sünden vergibt der Rheinländer sofort.

   Etwas unfrei fühle ich mich auch bei Anmerkungen zu dem ganzen Bio- und Öko-Getue. Es gibt Kolleginnen, denen ich regelmässig begegne, die nehmen dieses Grünzeug total ernst. Deshalb soll hier nur kurz der Chef der Bio-Handelskette Alnatura, Götz Rehn, zu Wort kommen. Gegenüber der "taz" rechtfertigte er die Tatsache, dass so manche seiner Kassiererinnen trotz gut gehender Geschäfte unter Tarif bezahlt wird, so: "Wir haben eine Bieneninitiative. Wir haben Theatergruppen. Wir haben einen Chor. Wir haben die Yoga-Gruppe. Wir haben Winterseminare. Das bedeutet ja alles eine Erhöhung des Gehalts." Summ, summ, summ. Manche können halt von Luft und Liebe leben. Oder von Bienen und Yoga.



   Vollends verschlossen bleibt mein kleines Lästermaul, wenn es um Entwicklungshelfer und Sozialarbeiter (siehe Bild) geht. Die tun was Vernünftiges. Punkt. Keine Widerrede. Würde ich was anderes sagen, bekäme ich hier intern mit der Caritas-und-Diakonie-Fraktion zu tun.

   Kürzlich ist übrigens der französische Staatssekretär Alain Joyandet, rund um die Uhr für Entwicklungshilfe zuständig, mit einem Privatjet zu einer Haiti-Konferenz nach Martinique geflogen. Macht hin und zurück 117 000 Euro. Ein Linienflug wäre deutlich günstiger gewesen, aber der Mann war in Eile. "Ich hatte Terminschwierigkeiten", verteidigte er sich. Schon klar. Es gibt soviel Elend auf der Welt. Da braucht man als Helfer die schnellsten Fortbewegungsmittel. Deshalb war ja auch in Berlin, der deutschen Hartz-IV-Hauptstadt, ein Obdachlosen-Kümmerer mit einem Maserati unterwegs. Irgendwo habe ich gelesen, dass taktlose Menschen diesen Fall zum Anlass nahmen, bei der Stadtverwaltung in Berlin mal nachzufragen, ob sie überhaupt noch einen Überblick über Ausmass und Erfolg ihrer ganzen Sozialausgaben habe. Die Antwort kam aus reinstem Herzen: Nein, haben wir nicht.

   Mein jetziger Chefredakteur arbeitete zuvor übrigens in Hannover. Schöne Stadt ...
 

 

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