Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (02. Mai 2010)
 

   Endlich! Der sibirisch-afghanische Elendswinter hat kapituliert, und die Natur guckt wieder wie ein aufgedrehter Kriegsheimkehrer in unser rezessionsbleiches Angesicht. Gerade wir bienenfleissigen deutschen Vorgartenzwerge sehnen uns nach der Seelenk�lte nach einem Refugium, frohlocken ob der steigenden Temperaturen. Alles kreucht und fleucht so munter umher, es schwinden die Sinne. Was am Hals einer unbekannten, lallenden Sitznachbarin im Biergarten noch einem majest�tischen Schmetterling glich, entpuppt sich am n�chsten Morgen nach gr�ndlichem Betasten und Anpusten als stachelige, raupenartige Riesenwarze. �berall sieht man es wild spriessen, auf zerkl�fteten Autobahnen, in den Achseln der Kollegen, auf den entbl�ssten Damenschenkeln in der schwitzenden Schlange vor der Gartencenter-Kasse. Herrlich, das.

   Doch Obacht! Just hier, in der Landlustabteilung f�r den Heckengigolo, in dieser erotischen Sublimierungszone f�r die besonne Frau ab vierzig, findet sich in den frisch best�ckten Regalen reichlich importiertes Unkraut und Ziergestr�uch von fragw�rdiger Qualit�t. Wer sein Rindenmulch inniglich liebt, sollte deswegen in diesen aufw�hlenden Zeiten die Augen aufreissen und wissen, in welche tiefen Erdl�cher er was und wie viel zu verbuddeln gedenkt.

   Von unkultiviertem Drang ist beispielsweise der auf dem s�dlichen Balkan beheimatete nimmergr�ne Ramsch-Kn�terich (Papandreous erpresserensis), der uns dieser Tage von jedem Marktschreier k�belweise nachgeworfen wird. Er breitet sich mit rasender Geschwindigkeit an sonnigen Pl�tzen aus, auf Grillstellen und in Tavernen. Auffallend sein seidiges Bl�tterkleid, gepaart mit einem lockigen Bewuchs, auch sehen die goldenen Bl�ten wie funkelnde Rolex-Uhren aus. Diese Pracht l�sst naive Nachtschattengew�chse oft schwach werden. Doch am Ende saugt der faule Bodendecker den anderen Pfl�nzchen das Wasser ab, der Garten sieht bald aus wie eine mit EU-Mitteln finanzierte Baugrube am Stadtrand von Athen.

   Oder die gemeine Kruzifixranunkel (�zkan ministerinensis). Ein schwer zu integrierender orientalischer Efeu, dessen Drang bis in die oberen Etagen einzigartig ist. Nieders�chsische G�rtner sch�tzten die Ranunkel bis vor kurzem, mussten allerdings feststellen, dass in der N�he dieses Gew�chses, das einen giftigen Saft absondert, allm�hlich alle anderen christlich-abendl�ndischen Nachbarwurzeln zu verfaulen drohen.



   Ganz zu schweigen von der aus dem Osten eingepflegten Tr�gen Taubnessel, unter Herbologen auch Schwarze Angela genannt. Diese als handlungsf�hige Probleml�serin getarnte Kohldistel gilt als anspruchslos und z�h, verstr�mt aber einen narkotisierenden Duft, der jedem Hobbyg�rtner den letzten Willen raubt. Wo sie ausschl�gt, herrschen Schweigen im Wald und kleinfruchtige Depression.

   Sie sehen, liebe Buddler und W�hler, bei aller Fr�hlingseuphorie: Die heimische Scholle ist gef�hrdet! Wer in seinem Garten Eden sichergehen will, sollte deshalb diese Kolumne in kleine Schnipsel reissen und an einer windgesch�tzten Stelle auss�en. Mit ein wenig Gl�ck und Regen w�chst daraus etwas Kl�geres, Hoffnungsvolleres.
 

 

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