Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (16. Mai 2010)
 

Die Spitze des Eisbergsalats


   Sind Sie pleite? Haben Sie über Ihre Verhältnisse gelebt? Geben Sie mir die Schuld. Ich bin Spekulant. Das Wort kommt vom lateinischen speculare und bedeutet ausspähen, nach Vorteilen Ausschau halten. Ja, ich suche den Vorteil. Jeder denkt an sich, nur ich an mich.

   Ich habe meinem Sohn fünf Euro geliehen. Es schien mir eine gute Investition in die Zukunft zu sein. Ursprünglich hatte ich sie ihm gar nicht geliehen, sondern einfach so gegeben. Er sollte das Geld seiner Klassenlehrerin aushändigen für irgendeine Schulsache. Die Schule verlangt ja ständig Geld von einem. Fast schon wöchentlich kommen meine Kinder mit einem Wunschzettel. Man hört schon gar nicht mehr zu, sondern öffnet wie ein Lämmchen den Geldbeutel.

   Mein Sohn ist ein grosser Kindskopf. Aber wie jeder guter Spekulant bin ich bereit, Risiken einzugehen. Ich erhoffe mir eine gute Rendite in Form eines bestens ausgebildeten Kindes. Nun hat mein Sohn aber glatt vergessen, die fünf Euro seiner Lehrerin zu geben. Stattdessen hat er von dem Geld Panini-Klebebildchen für sein WM-Album gekauft. Er hat also hemmungslos Fussball konsumiert. Mit meinem Geld! Zu seiner Verteidigung muss ich allerdings sagen: Er hat die Sache nicht verheimlicht, sondern bereits beim Mittagsessen gestanden. Mein Sohn ist nicht Griechenland.

   Den Griechen geht es übgrigens ganz gut. Diese Woche war dort Bombenwetter: Sonne und bis zu 36 Grad. Zudem wurden die ersten Hilfsgelder über dem Land abgeworfen. Mehrere Milliarden Euro verteilten sich gleichmässig übers Land und verschwanden wie erwartet auf Nimmerwiedersehen. Und was machen wir? Wir grämen uns, knausern und haben auch noch die Eiheiligen an der Backe. Das einzig Gute am Vatertag war ja, dass das Bier nicht warm werden konnte.



   Ich habe meinem Sohn gesagt, dass er das Geld zurückzahlen muss. So geht das ja nun nicht. Ob ihm das allerdings gelingen wird, ist angesichts seines mickrigen Taschengeldes doch sehr die Frage. Tief in mir habe ich seine Bonität auf Ramsch-Status herabgestuft. Das machtz mich nervös, ich schimpfe mit ihm. Er wird dann wiederum bockig und unproduktiv. Ein Teufelskreis.

   Ich will die fünf Euro wiederhaben, solange ich dafür noch was kaufen kann. Alles sagen, dass der Euro bald nicht mehr viel wert sein wird. Die Politik druckt wie blöd neues Geld, weil das alte irgendwie verschwunden ist. Es ist vielleicht nach Indien oder China gewandert, wo Mercedes-Limousinen nun wieder reissenden Absatz finden. Bald kann sich auch der Grieche wieder eine neue E-Klasse leisten. Nur wir nicht mehr.

   Ich suche nervös nach Anzeichen einer Inflation. Laut Statistischem Bundesamt sind im April die Preise für Kopf- und Eisbergsalat um fast 73 Prozent gestiegen. Zucchini und Auberginen wurden um 51 Prozent teurer. Ist das normal? Oder soll ich mir mein Gehalt schon mal vorsorglich in Form von Salatköpfen auszahlen lassen? Tja, man hat es nicht leicht als Spekulant. Man darf nicht devensiv agieren. Nur wer wagt, gewinnt. Hier mein Sohn, hast du noch mal fünf Euro. Und jetzt sag mal; Was ist eigentlich so ein WM-Album wert, wenn alle Bilder eingeklebt sind?
 

 

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