Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (30. Mai 2010)
 

Wir sind sauber


   Zu Pfingsten verdunkelte sich der Himmel über Deutschland, weil schwere Qualmwolken aus den deutschen Gärten aufstiegen. Es roch nach Bratwurst und Schweinehals, dicke Fruchtfliegen taumelten, betäubt vom verdampfendem Eiweiss, über den Zierhecken. Der Heilige Geist, dessen Ankunft sehnlichst erwartet wurde, fand den ihm zugewiesenen Lufthöhenkorridor nicht und musste umkehren. Am schwärzlichen Firmament zeigte die Krise erneut ihr hässliches Gesicht. Märkte und Kurse taumelten, mancher heizte mit dem substanzlosen Depotauszug seiner Raiffeisenbank den Grill an und weinte, als das Papier ein letztes Mal zu einem trotzigen Kursfeuerwerk aufloderte.

   Doch es gibt Hoffnung: Der belebende Wind einer neuen Moral weht durchs Land. Zügellose Raffgier, schäbiges Spekulantentum und Kleinbetrug bei der Kantinenabrechnung im Büro sind verpönt. So begannen die deutschen Bankinstitute damit, Bankautomaten zu installieren, denen die Kreditvermittlung strikt untersagt ist und die auf Anfrage auch ihren Jahresbonus nennen müssen. Für jeden Betrag über fünf Euro, den sie herausgeben, wird in einem phillipinischen Gewächshaus eine Currypflanze gezüchtet. Viele Autohändler haben ihre Sonnenbrillen freiwillig abgegeben und sie von einem Audi Q7 schreddern lassen. "Für uns ein Beitrag zu mehr Transparenz beim Kundengespräch", so Opel-Vertreter Dragan S., der auch keine Krümel in den Sitzen verstecken will.



   Besonders erfreulich: Auch die grössten Ratingagenturen wie Hornblower, Fitz, Nuts and Crunch oder Feinstain, Goldberg und Rosenkrantz schliessen sich an. Die Bonität von Staaten wird künftig unter notarieller Aufsicht mit dem Würfel ermittelt. Für jede Herabstufung wird dem Kind eines Schwellenlandes die Ausbildung zum Hütchenspieler finanziert. Die Politik steht nicht nach: Roland Koch (siehe Bild) nahm die Forderung nach dem gläsernen Abgeordneten ernst und wechselte ablösefrei in eine gläserne Anwaltskanzlei. Beim Aufräumen seines Büros wurden so abscheuliche Dämpfe frei, dass der Frankfurter Flughafen kurzzeitig gesperrt werden musste. Doch dann war die Luft klar und frisch.

   Damit nicht genug: Die Ölmultis verpflichteten sich, in ihre Aufsichtsräte mindestens einen Kranich aufzunehmen und mit ihm gemeinsam täglich ein Morgengebet zu sprechen. Auch die Deutsche Bahn bekennt sich zu einer ethischen Unternehmensführung: Die ICE-Türen werden jetzt an den Haltestellen geöffnet, damit die Passagiere nicht mehr bis zur Endstation fahren müssen. Aufgemacht wird aber nur kurz - Pünktlichkeit geht über alles.

   Ende der Woche überflutete die Ethikwelle Deutschland: Fussballer verletzten sich lieber, als sich dem unbarmherzigen Darwinismus der WM zu unterwerfen. Jahrelange Fouls werden in Fussballalben schwarz überklebt. Gärtner zupfen kein Unkraut mehr, Köche lecken ihre Finger nicht mehr ab, Ärzte bilden sich bis zur Unkenntlichkeit fort, Priester werden von Jugendlichen mit Migrationshintergrund im Antiaggressionstraining unterrichtet. Unsere Redaktion selbst hat alle schmutzigen Texte aussortiert. Wenn diese Ausgabe also Lücken hat, wissen Sie warum. Wir sind jetzt sauber.
 

 

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