Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (13. Juni 2010)
 

Eine Frage der Schnitthöhe


   Diese Woche war es soweit: Der Rasenmäher, das Instrument unbarmherziger Sparpolitik, rollte aus der Garage, in den die Hüter der Herz-Jesu-Demokartie irgendwann nach dem Krieg bugsiert hatten. Schon vor Monaten war gemunkelt worden, seine Stunde sei nahe. An düsteren Vorzeichen fehlte es nicht: Auffallend viele Politiker drängten sich an den Beratungstheken der Baumärkte ("'ne Schnittbreite von 30 Zentimetern ist doch viel zu schmal. Und kein Kabel! Haben Sie nichts Richtiges, so mit Allradantrieb. Unkrautdetektor und 'nem richtig fetten Messerbalken?")

   Und dann ging es hinaus in die Natur. Abgeordnete, die jahrelang nicht mehr an der Frischen Luft waren, atmeten tief durch und bekamen rosige Backen. Jauchzend bearbeiteten sie die wuchernde Anarchie des Sozialstaats mit seinen schmarotzenden Pflanzen, die den Fleissigen und Leistungsbereiten die Luft abschneiden, den scheinheilig lächelnden Blüten, die hinterrücks keine Kinder bekommen, den prekären Gewächsen in der Schattenzone. Der Spar-Rasenmäher zog ruhig und unbeirrt seine Bahn, nichts entging ihm. Keine irrationalen Emotionen trieben ihn, sein Dogma war nur die Schnitthöhe. Er hinterliess nicht Zerstörung, sondern Ordnung und Gleichmass.



   Wer letzendlich der Erfinder der Rasenmähermethode war, ist unklar. Wolfgang Schäuble, dazu befragt: "Das isch doch auch egal. Klar ischt nur: Spekulanten sind wie Gänseblümchen. Wenn Sie nicht mindeschtens zweimal drübergehen, ducken sie sich weg. Und kaum ist der Qualm verzogen, wetten sie wieder auf den Untergang." Peer Steinbrück und Wolfgang Koch: "Wir waren die Ersten! Herrgott, waren das Zeiten! Wir sassen zu zweit auf dem Bock eines 12-PS-Aufsitzmähers und sensten die Subventionen nieder, was das Zeug hielt. Leider war es nur ein Traum. Als wir aufwachten, sahen wir, dass die Fettwiese des Sozialstaates noch höher war als früher. Mussten uns ganz eng aneinanderkuscheln. Aber schön war's trotzdem."

   Josef Ackermann: "Wer an unsere Investmentabteilung will, muss eine ziemlich hohe Schnitthöhe einstellen - die sitzt nämlich im 112. Stock." Margot Käßmann: "Haben Sie Zeit für eine kurze Predigt über den Rasenmäher als Relikt des technokratisch-maskulinen Zeitalters? Nein? Schade, Sie hätten am Ende garantiert geweint. Ich sage: Die Saat der Liebe hält jedem Messer stand. Aber manchmal möchte man einfach mal Gas geben, um über das ganze Unkraut hinwegzubügeln. Entschuldigung."

   Horst Köhler: "Immer wenn ich morgens aus dem Schloss Bellevue den Gärtnern zuguckte, wurde ich wehmütig, denn ich hatte ja auch für meinen Rasnetraktor einen Fahrer. Aber jetzt mähe ich selbst. Ach, Eva-Luise, sag mal: Welchen Gummistiefel zieht man rechts an?" Karl-Theodor zu Guttenberg: "Mit 230 gepanzerten Aufsitzmähern könnten wir in Afghanistan auch in der Fläche Präsenz zeigen. Die unterscheiden nicht zwischen Ackerrettich und einem Taliban, hehe."

   Jetzt liebe Leser, verstecken Sie sich besser in der nächstbesten Doppelgarage eines Sozialschmarotzers. In der Luft liegt wieder dieses Zweitaktgeräusch. Es scheint näher zu kommen.
 

 

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