Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (27. Juni 2010)
 

Joa und Amen fürs Menschliche


   Es muss hier ein Wort wiedergegeben werden, dass sich der mitteleuropäischen Fonetik entzieht. Eine Art gutturaler Nasallaut, der aus einer vollen Backe rutscht und wie eine reife Pflaume auf den Boden fällt. Es ist das schwedische Ja, gesprochen ungefähr joa. Dieses Joa entliess den Mund einer Thronfolgerin auf die Frage, ob sie mit einem jungen Mann, der denselben Friseur wie Karl-Theodor zu Guttenberg hat, in ein eheliches Verhältnis eintreten wolle.

   Begleitet wurde dieses Joa von modischer Exzentrik. Als sich die Hofschranzen öffneten, zeigte sich die Braut in einer 45 Meter langen Schaluppe aus Seide, Schabracken aus ganz Europa ruderten in ihren farbenprächtigsten Roben durch die Kirche, Thronfolger folgten ihren Thronen, die wiederum von Thronfolgern gefolgt wurden, angetan mit Goldketten, aber ohne Trainingsanzüge. Nach der Fernsehübertragung, die 23 Milliarden allein in Schweden verfolgten, kam es zu Tausenden Spontanhochzeiten.

   SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles etwa heiratete in einer bewegenden Zeremonie einen herumstehenden Kunsthistoriker. Auf die Frage nach dem Joa antwortete die 40-Jährige, zwar befürwortet sie den agesprochenen Bund auf Lebenszeit ausdrücklich, doch dürfe es ein einfaches Weiter-so nicht geben. Zugleich sicherte sie ihrer eigenen Ehe die volle unterstützung der Bundespartei zu uund betonte ... Hier mussten wir uns aus der Zeremonie ausblenden.



   Gänzlich unberührt von diesen emotionalen Aufwallungen zeigte sich ein älterer Mann im rosa Dienstanzug. Unsere Redaktion "Minderheiten und schöne Künste" besuchte ihn morgens in seinem Augsburger Domizil, wo er nachdenklich seine Pilotenbrille hin und her drehte. Seine Hand zitterte. Rasch griff er zu der Flasche Chateau Petrus, die wie immer hinter der Marienstatue stand. "Wenn das nicht hilft", schmunzelte er, und, wie zu sich selbst: "Wie sagt mein Arzt zu diesem Zittern? Tremor? Lustig. Eigentlich haben früher nur die Ministranten gezittert, wenn sich meine Hand hob. Dabei habe ich sie meistens nur geschüttelt, nicht gerührt."

   Er sang leise vor sich hin: "Tremor, Tenor, Eigentor. Reimt sich. Muss ich mir für die nächste Predigt merken." Er nahm einen tiefen Schluck. "Und wenn dann die Sprache auf das jüngste Gerücht kommt, werde ich der Gemeinde schon reinleichten, will sagen heimfeuchten, quatsch. Auch egal. Aber Rosa steht mir gut, da kann keiner - muss noch einen Schluck."

   Es bestätigt sich also das Schiller'sche Programm für die Romantik, der Mensch sei nur da Mensch, wo er spielt, trinkt oder verliebte Gutturale ausstösst. Das beherzigte die nordkoeranische Fussballmannschaft, die sich in einen wahren Spielrausch hineinsteigerte und mit staunenswerter Brillanz das eigene Tor berannte. Nach Abpfiff erklärte man noch Portugal den Krieg und versenkte einige U-Boote vor Lissabon. Danach ging es zurück in die Stille der Kohleminen. Auf dem alten Kontinent aber rollt weiter der Ball, die Prinzessin hat Migräne, ihr Mann vergisst den Müll runterzubringen ud lässt seine Unterhosen herumliegen. Und der rosa Dienstanzug hat hässliche Flecken. Rotwein?
 

 

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